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Heiße Rassismus-Diskussion für den kalten Weihnachtsmarkt

Bonn/Kinshasa (KNA) – Das Zigeunerschnitzel hat es schon längst erwischt: "Z-Wort". Der Mohrenkopf: "M-Wort". Am Ersten Advent haben die Weihnachtsmärkte eine neue Diskussion losgetreten. Es geht um warmen Kakao mit Schuss, vielerorts als "Lumumba" angeboten. Lumumba?

 

Es war der Kalte Krieg im heißen Afrika. Patrice Lumumba (1925-1961), Vorkämpfer und erster Regierungschef des gerade unabhängigen Staates Kongo, brauchte Verbündete. Doch im Ost-West-Konflikt biss er mit seinen sozialistischen Ideen im Westen auf Granit. Verzweifelt diente er sich den Russen an - und unterschrieb damit sein Todesurteil.

 

Linke Lichtgestalt im Kampf gegen die Kolonialisten - im Grunde ist es eine klassische Geschichte: Gandhi gegen die Engländer in Indien, Steve Biko gegen die Buren in Südafrika, Che Guevara gegen den kubanischen Diktator Fulgencio Batista. Alle errangen sie wichtige Etappensiege, und alle starben sie einen gewaltsamen Tod. Auch Patrice Lumumba, der am 17. Januar 1961 im damaligen Elisabethville (heute Lubumbashi) einem Mordanschlag zum Opfer fiel - unter Billigung höchster Stellen in Belgien und den USA.

 

Knapp 63 Jahre und exakt 7.099 Kilometer Luftlinie entfernt stößt sich nun Annalena Schmidt, einst grüne Stadträtin in Bautzen und jetzt politische Bildungsarbeiterin in Dresden, an der Bezeichnung auf dem örtlichen Weihnachtsmarkt. Auf X schreibt sie: "Er wurde erschossen! Und ihr benennt 'Kakao mit Schuss' nach ihm!"

 

Hunderte, dann tausend Menschen stiegen auf das Thema ein. Und die Zeitung "Bild" heizte die Debatte am Sonntag weiter an und zitierte einen User: "Ich hoffe, dass das gesellschaftlich bekannt wird und man dann auf diesen Namen verzichtet." Doch bei "Bild" versteht man auch, den Dingen einen Spin zu geben. Und so dreht sich die Diskussion schon im Verlauf des Artikels buchstäblich weiter: "Das ist genau diese Art von Auseinandersetzung mit Rassismus, die den wirklich bedrohlichen und alltäglichen Rassismus in unserer Gesellschaft klein macht bzw. marginalisiert. Niemand trinkt einen Kakao mit Schuss mit rassistischen Hintergedanken." Und am Schluss heißt es: "Leute, die versuchen, alles mit Rassismus in Verbindung zu bringen, sind auch ein Problem."

 

Was also nun? Angeblich wurde bereits in den 60er Jahren "Lumumba" getrunken. Aber auch das kann man trefflich diskutieren: Machte man sich damit in Edel-Lounges europäischer Hauptstädte lustig? Oder wurde dort an einem pathetisch-linken Abend ein ideeller Held der Freiheit Afrikas geehrt? Ist ein Rassist, wer mit kalten Weihnachtsfüßen - ganz ignorant reinschüttend oder wissend und mit anerkennendem Lächeln - einen Kakao mit Rum und Sahnehaube trinkt? Und: Wer ist die Übelkrähe - der Lumumba-Verkäufer oder der Lumumba-Konsument? Eine woke Republik braucht schnelle Antworten. Und der Advent 2023 ist mit 22 Tagen superkurz.

 

Ein quasi natürlicher Debattenvorschlag zur Lösung des Dilemmas greift wahrscheinlich zu kurz. Denn das inkriminierte Getränk hat ja längst auch einen anderen Spitznamen. Fragt sich nur, ob sich damit der Moralin-Pegel senken ließe. In Norddeutschland, in den Niederlanden und Dänemark erinnert man sich an eine Legende von der friesischen Insel Föhr zurück: Dereinst sei eine Föhrer Insulanerin im fernen Amerika gestorben - und die Urne mit ihrer Asche sei in einer Kakaokiste nach Föhr zurückgekehrt. Seither stärkt man sich dort mit einer - "Toten Tante".