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Sensationelles zu den „Kaisergewändern“

Die Wissenschaftlerinnen Sibylle Ruß (links) und Ursula Drewello sowie Felix Sebastian Weiland vom Verlag Schnell + Steiner präsentierten das neue Buch. Foto: Christiane Dillig
Die Wissenschaftlerinnen Sibylle Ruß (links) und Ursula Drewello sowie Felix Sebastian Weiland vom Verlag Schnell + Steiner präsentierten das neue Buch. Foto: Christiane Dillig

Bamberg (cid) – Sie sind die Edelsteine des Bamberger Domschatzes: Die Kaisergewänder aus der Zeit der Bistumsgründer Heinrich und Kunigunde gehören weltweit zu den kostbarsten Textilien des 11. Jahrhunderts. Ihre Geschichte, ihr Material und ihre Herstellung wurden in den letzten acht Jahren intensiv erforscht. Der jüngst erschienene Band zur Kunsttechnik und Materialwissenschaft enthüllt neue Ergebnisse und Zusammenhänge. Im Bamberger Diözesanmuseum gaben kürzlich die Autorinnen Sibylle Ruß und Ursula Drewello einen Einblick in ihre Forschungen.

 

Von der Einzigartigkeit der Textilien könne nicht oft genug die Rede sein, unterstrich Ruß in ihren Ausführungen. Sechs reich und prächtig mit Goldfäden bestickte „Mäntel“ sind es, die als „Bamberger Kaisergewänder“ bekannt sind. Hier wurden die kostbarsten Materialien der Entstehungszeit, Gold und Seide, verwendet. Einzigartig sei auch, dass die empfindlichen Stoffe nach über tausend Jahren überhaupt erhalten und an einem Ort zusammen zu betrachten sind. 

 

Und sie haben eine Verbindung mit den historischen Personen Kaiser Heinrich und Kaiserin Kunigunde. Diese stifteten nämlich für ihr neu gegründetes Bistum Bamberg nicht nur Reliquien, wertvolle Buchmalerei und reiche Bucheinbände, sondern auch luxuriöse Textilien, die Statussymbole ihrer Zeit. Mit der Heiligsprechung erhielten diese Gewänder Reliquienstatus und wurden jahrhundertelang als Berührungsreliquien des Heiligen Kaiserpaars verehrt. 

 

Textiles Gewebe ist jedoch sehr empfindlich und so unterlag es durch die Jahrhunderte zahlreichen Reparaturen, wobei auch Veränderungen der Bildaussage eintraten. In einem Forschungsprojekt der Universität Bamberg konnten die 1000 Jahre alten Gewänder zwischen 2015 und 2022 erstmals auch kunsttechnologisch und materialwissenschaftlich untersucht werden. Die Textilrestauratorin Ruß und die Biologin Drewello hatten zusammen mit ihren Mitarbeitern tausende Fäden gezählt, Materialproben entnommen und mikroskopisch analysiert, nach originalen Nähten gesucht, Befunde festgehalten, Fotos gemacht und neue Erkenntnisse gewonnen. 

 

Was ist noch originaler Stoff, wo wurde etwas verändert, ergänzt und was bedeutet dies für die Aussage, die man mit den Gewändern in der damaligen Zeit erzielen wollte? Warum ist der sogenannte Kunigundenrock einmal als schmal und lang und einmal als weit und kurz beschrieben? Wieso muss nun der „Reitermantel“ rund 100 Jahre früher datiert werden und wieso kann eine Aussage auf dem sogenannten „Sternenmantel“ Kaiser Heinrichs jetzt nicht mehr dem Schenkenden, dem Fürsten Ismahel, zugeordnet werden? Bisherige Theorien zur Funktion des Mantels oder seiner Veränderungen im 15. Jahrhundert müssen neu überdacht werden. 

 

Als Sensation gilt auch die Entdeckung und Analyse von unterschiedlichen Vorzeichnungen, die Hinweise auf den Entstehungsort des jeweiligen Mantels, also zu den verschiedenen Werkstätten geben können. Die Analysen der Gewebe und verwendeten Farbstoffe, der Fadenverläufe, Schnittmuster und Vorzeichnungen lieferten wertvolle Hinweise für die Rekonstruktion des ursprünglichen mittelalterlichen Zustands der Gewänder, ihrer Motive und Inschriften. Sie bezeugen zugleich die herausragende Handwerkskunst und Prachtentfaltung im Umfeld Kaiser Heinrichs II. im frühen 11. Jahrhundert. „Wir müssen in einigen Punkten jedoch die Geschichte der Bamberger Kaisergewänder auch neu schreiben“, so das Fazit der beiden Forschenden.

 

Das Buch mit 482 Farbabbildungen, darunter teils spektakulären Detailvergrößerungen, lässt einen in die umfassenden Untersuchungen eintauchen. Mit Mikroskop und Labortechnik beantworteten Sibylle Ruß und Ursula Drewello die Fragen nach den originalen Bestandteilen, suchten Spuren von Veränderungen und Reparaturen vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert und konnten so Quellen und Forschungsergebnisse neu deuten.