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„Aus der ersten Krise nichts dazugelernt“

Philosoph Manemann: Konzepte für Umgang mit Corona fehlen

Hannover – Der Philosoph Jürgen Manemann wirft der Politik vor, nicht rechtzeitig Konzepte für die zweite Corona-Welle in Deutschland entwickelt zu haben. „Wenn wir auf die Maßnahmen schauen, müssen wir uns leider eingestehen, dass wir aus der ersten Krise nichts dazugelernt haben“, sagte Manemann der „Hannoverschen Allgemeinen  Zeitung“ (Donnerstag). „Die Kontaktbeschränkungen, die Schließung der Schulen und Kitas unterscheiden sich nicht wesentlich von den Maßnahmen, die bereits im März 2020 ergriffen worden sind.“
Die Zeit, sich auf die nächste Welle vorzubereiten, sei nicht genutzt worden, sagte Manemann, der auch Mitglied der unter anderem von der Landesärztekammer und den Kirchen ins Leben gerufenen Initiative Niedersächsischer Ethikrat ist. „Es gibt – trotz der Zeit, die inzwischen mit Corona verstrichen ist – bis heute leider kein Konzept, das Bürgerinnen und Bürgern, Gastronominnen und Gastronomen, aber auch Künstlerinnen und Künstlern Planungssicherheit gibt.“
Die meisten Menschen hielten sich an die Corona-Regeln, sagte der Leiter des Forschungsinstitut für Philosophie in Hannover. Trotz dieses Vertrauens, das ihr entgegengebracht werde, halte die Politik noch immer an einer Kommunikationsform fest, die den Eindruck erwecke, alle wären uneinsichtig und unmündig. „Die Politik wird zu stark von oben betrieben“, kritisierte Manemann. „Die Entscheidungsträger und -innen wollen den Eindruck vermitteln, Gestalter zu sein, sind es aber nicht. Sie reagieren auf steigende Infektionszahlen, aber entwickeln keine neuen Konzepte. Dazu müssten sie auf allen Ebenen stärker auf Partizipation setzen.“
Für Manemann zählt dazu auch das Einbeziehen der Parlamente. Etwa in der Frage, wer zuerst geimpft werden sollte, wäre dies wichtig gewesen. „Zeit dafür gab es in den Sommermonaten, doch sie wurde nicht genutzt.“ Auch Eltern- und Schülerräte, Studierendenvertretungen und weitere hätten in Entscheidungsprozesse einbezogen werden müssen, betonte Manemann.
Er mahnte zugleich eine langfristige Änderung des Lebensstils an, um weitere Pandemien zu vermeiden. „Der Verlust von Biodiversität bedeutet die Erhöhung des Pandemierisikos. Darüber müssen wir nachdenken. Über unseren Lebensstil und wie wir der Natur, den Wildtieren ihren Raum zum Leben lassen. Das ist auch für uns eine Überlebensfrage.“

Autor: epd