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Konflikte friedlich, nicht mit Gewalt lösen

Statement von Erzbischof Schick zur Besetzung des Kapitols in Washington

Bamberg - Die Ereignisse in Washington haben Menschen in aller Welt erschüttert und fassungslos gemacht. Mit Entsetzen hat der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick auf die gewaltsame Erstürmung des US-Kapitols in Washington durch Anhänger des scheidenden Präsidenten Donald Trump reagiert. In einem Statement schreibt der Bamberger Oberhirte:
„Gott sei Dank sind viele Menschen entrüstet und fassungslos über die Ereignisse im Kapitol in Washington, ich auch, immer noch und immer mehr. Zugleich spüre ich, dass wir bei Entrüstung und Fassungslosigkeit nicht stehenbleiben dürfen. Es muss gehandelt werden! Wir dürfen uns auch nicht auf den Noch-Präsidenten Trump fixieren, der Unsägliches angerichtet und befördert hat. Er ist noch immer gewählter Präsident der Vereinigten Staaten und wäre beinahe im Herbst wiedergewählt worden. Das ist das Erste, was wahrzunehmen ist.
Er ist auch nicht das einzige Staatsoberhaupt, das die Spaltung der Gesellschaft im eigenen Land befeuert hat. Vielen werden gleich X Staatsmänner in Amerika, Europa, Afrika und Asien einfallen, die Gleiches tun. Er ist ebenfalls nicht der einzige, der das Auseinanderfallen der internationalen Staatengemeinschaft vorangetrieben hat mit Slogans wie: „My country first“. Der Sturm auf das Kapitol mit Verletzten und sogar Toten ist der Höhepunkt einer Reihe von Angriffen auf Parlamente und Sitzungen von Abgeordneten auf der ganzen Welt in den letzten Jahren. Deutschland gehört leider Gottes auch dazu.
Der eigentliche Grund für diese unsäglichen Ereignisse ist die gewachsene und leider Gottes auch von Verantwortungsträgern geförderte Unfähigkeit, Konflikte friedlich zu lösen – mit Vernunft im Dialog. Gewalt ist immer mehr zum probaten Mittel geworden. Jetzt ist es wichtig – und zwar sofort – zu sehen, zu urteilen und zu handeln, um mit allen Möglichkeiten und auf allen Ebenen gegenzusteuern.
Die Bildung spielt dabei eine wichtige Rolle. Kindergärten, Schulen, Universitäten, Erwachsenenbildung müssen Module anbieten, die dazu erziehen, Konflikte, die es immer und auf allen Ebenen gibt, friedlich zu lösen unter Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen.
In Wirtschaft, Industrie, Handel und Verwaltung müssen gut funktionierende Gewerkschaften vorhanden sein und ebenso Betriebsräte; sie können für Ausgleich der Interessen und für friedliches Miteinander wirken.
Es braucht Gesetze, die jede Gewaltverherrlichung sowie Aufrufe zur Gewalt verurteilen. Deshalb ist es sehr zu begrüßen, dass der Deutsche Bundestag auch gegen Hass und Hetze in den Medien vorgeht.
Die Gerichte müssen Gewalttäter zur Rechenschaft ziehen und bestrafen. Auch die, die in das Kapitol eingedrungen sind, Sachschaden angerichtet und den Tod von Menschen verschuldet haben, müssen vor Gericht; davon kann auch der Präsident nicht ausgenommen sein.
Wichtig sind auch die Ordnungskräfte, Polizei und Militär. Sie sollen bei Konflikten deeskalieren und nicht Konflikte verstärken. Darauf muss in der Ausbildung und Fortbildung geachtet werden.
Polizeigewalt gegen afroamerikanische oder latinoamerikanische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in den USA in den letzten Jahren, hat das Konfliktpotential erhöht und zur Spaltung der Gesellschaft beigetragen.
Einigkeit in der Gesellschaft, die vor Gewalt bewahrt, ist immer auch eine Frage der Gerechtigkeit und Wahrheit. Diese zu fördern, muss oberstes Ziel aller gesellschaftlicher Kräfte und der Politik sein.
Auch die Religionen müssen ihren Beitrag zur friedlichen Konfliktlösung leisten, besonders die Christen. Einige evangelikale Gruppen haben keine gute Rolle in den letzten Jahren in den USA und auch anderswo gespielt. Sie haben sich zum Steigbügelhalter von Politikern degradiert, deren Politik eigentlich einen Widerspruch aus dem Evangelium fordert. Die Trennung von Religion und Politik, von Staaten und Religionsgemeinschaften muss ein Grundprinzip sein. Das Evangelium kann nur der Menschheit und Schöpfung dienen, wenn es unabhängig, aus sich heraus zur Wirkung gebracht wird.
Es ist auch wichtig, dass Politiker gewählt werden, die den Frieden national und international fördern und nicht die die Stimmen bekommen, die nur die eigenen egoistischen Interessen ihrer Wähler durchboxen sollen. Nationalismen und Populismen, die sich derzeit überall breitmachen, fördern Konflikte in den einzelnen Staaten und in der internationalen Gesellschaft. Politikerinnen und Politiker müssen zudem Vorbilder sein für Vernunft, Wahrhaftigkeit, Dialogbereitschaft und Gewaltlosigkeit.
Gerechte und friedvolle Gesellschaften zu entwickeln oder auch wieder zu erlangen, ist eine Aufgabe, die Anstrengung, Mut, Geduld und Zeit erfordert. Das Ziel wird aber nur erreicht, wenn jetzt sofort begonnen wird. Der Sturm auf das Kapitol muss als letzte Warnung verstanden werden."

 

Autor: bbk