Katholische Theologin Rahner fordert Rehabilitation von Luther
Hamburg/Tübingen – Die katholische Theologin Johanna Rahner hat von ihrer Kirche die Rehabilitation von Martin Luther gefordert. Mit Blick auf die vor 500 Jahren von Papst Leo X. über den
Reformator verhängte Bannbulle erklärte die Tübinger Dogmatik-Professorin, man könnte es sich „leicht machen und dieses Verfahren für abgeschlossen halten, wenn man davon ausgeht, dass der
Kirchenbann mit Luthers Tod 1546 automatisch endete“. Das sei „aber nur halb richtig, weil einem Häretiker durch seine Exkommunizierung mehr als nur sämtliche Sakramente verweigert werden,
sein Seelenheil ist bedroht“, sagte Rahner der „Zeit“-Beilage „Christ & Welt“.
Nach katholischer Lehre habe Luther nach dem Bann am Jüngsten Tag das Strafgericht Gottes zu fürchten, so Rahner weiter: „Beabsichtigt von der römischen Kirche war seine ,Damnatio memoriae‘,
das bedeutet die Tilgung seines Andenkens über den Tod hinaus. Kein Häretiker und kein Schismatiker kann des ewigen Heils teilhaftig werden, so formuliert das das Konzil von Florenz 1439.“
Schon angesichts dieser Tragweite „sollten wir uns heute noch mit dem Bann beschäftigen“, unterstrich Rahner. Die Aufhebung des Banns könnte daher ein wichtiges Zeichen der Ökumene
werden.
Papst Leo X. (1475-1521) hatte Martin Luther (1483-1546) mit einer Bannandrohungsbulle vom 15. Juni 1520 zunächst zum Widerruf seiner Lehren aufgefordert, weil diese ketzerisch seien. Der
Reformator sollte seine Lehren spätestens 60 Tage nach Veröffentlichung der Urkunde widerrufen. Luther ließ die Frist verstreichen und verbrannte in einem symbolischen Akt am 10. Dezember
1520 in Wittenberg einen Abdruck der Bulle. Damit vollzog er demonstrativ den Bruch mit der römischen Kirche. Mit der Bannbulle vom 3. Januar 1521 exkommunizierte der Papst daraufhin Luther
und seine Anhänger.
Rahner warnte allerdings davor, Luther wegen seines Widerstandes gegen die päpstliche Autorität als Freiheitskämpfer zu bezeichnen. Das sei ein „ideologisch besetztes Narrativ, das historisch
nicht ganz zutrifft“. Luther sei ein mittelalterlicher Mensch mit Denkformen seiner Zeit gewesen. Rahner: „Man sollte nicht mit der heutigen Brille auf die damalige Positionierung Luthers
blicken. Vor allem sollte man sich nicht einbilden, dass der Reformator bereits einen aufgeklärten, modernen Freiheitsbegriff kannte.“
Autor: epd