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Auf Augenhöhe mit den Partnern in der Welt

Ehemaliger Misereor-Geschäftsführer Gottfried Baum

Eine Neubauwohnung in Bamberg, mit Blick ins Grüne und aufs Wasser. Ruhig und beseelt, fast beschaulich ist die Stimmung, die Gottfried und Mathilde Baum ausstrahlen – angesichts des bewegten Lebens, auf das das Ehepaar zurückblicken darf. Über Jahrzehnte hinweg war Gottfried Baum beim bischöflichen Hilfswerk Misereor tätig – als einer der Mitarbeiter der ersten Stunde unter Gründungsgeschäftsführer Prälat Gottfried Dossing, später selbst Mit-Geschäftsführer. Auch an der Gründung des Fair-Handelshauses Gepa war er maßgeblich beteiligt. Am 30. Mai wird der gebürtige Württemberger 90 Jahre alt. „Weltkirche war für mich von Jugend an ein Begriff“, sagt Gottfried Baum. Er besuchte eine Missionsschule im schwäbischen Obermedlingen, vier Tanten seiner Mutter waren Ordensschwestern. Dem Abitur folgte das Studium in München und Tübingen, nach beruflichen Anfängen bei einer Bank kam der junge Jurist 1963 zu Misereor nach Aachen. „Das Werk war da gerade im Aufbau“, berichtet Baum, der das sogenannte Referat für Abwicklung übernahm. Er kümmerte sich vor allem um die Verträge mit den Partnern des Hilfswerks. „Misereor war das erste kirchliche Hilfswerk, das nicht von Rom genehmigt werden musste“, erinnert sich der heutige Pensionär. Das sei dem Kölner Kardinal Frings zu verdanken gewesen. Frings beriet sich seinerzeit mit Adenauer über Möglichkeiten der Entwicklungshilfe, und der Kanzler sagte: „Ihr Kirchen könnt das doch machen.“ So sei von Anfang an auch staatliches Geld an Misereor geflossen, noch heute sind es zwei Drittel der jährlichen Mittel von rund 230 Millionen Euro. Hengsbach sagt „draußen“ Von Anfang an legten Baum und seine Misereor-Kollegen Wert darauf, die Projektpartner in Afrika, Asien oder Lateinamerika auf Augenhöhe zu behandeln. Manche Bischöfe sahen das durchaus anders. Ein Mann wie Franz Hengsbach etwa, Gründer der Diözese Essen, sprach stets von denen „da draußen“ und hatte klare Vorstellungen vom Geben und Nehmen. Bei den Hilfswerken sah man das anders, unter den Projektreferenten wuchs im engen Kontakt mit der Welt das Bewusstsein, wie viel die deutsche Kirche von den Katholiken weltweit lernen kann. Gottfried Baum stand stets in engem Kontakt mit den Oberhirten, er war viele Jahre lang Protokollführer der bischöflichen Weltkirche-Kommission, die heute vom Bamberger Erzbischof Ludwig Schick geleitet wird. Bei Misereor stieg Baum rasch auf, wurde 1968 zum stellvertretenden Geschäftsführer bestimmt, später gab es eine Dreierleitung mit einem Prälaten als Chef und zwei Mit-Geschäftsführern, zuständig für Projekte sowie für Beziehungen und Personal. Bei der Geburt der Gepa Mitte der 1970er Jahre war Jurist Baum dann ebenfalls „mittendrin, das hat sich einfach so ergeben“, schildert er. Die Gründung habe angesichts der wachsenden Hinwendung zur „Dritten Welt“, wie es damals hieß, in der Luft gelegen. Gesellschafter waren der Leiter des Hilfswerks „Brot für die Welt“ und Gottfried Baum selbst. Der Verkauf von fairen Produkten sei eine gute Alternative zum reinen Spendensammeln gewesen, schildert er, für das man sich immer ein wenig „rechtfertigen“ musste. Der bundesweit erste Weltladen entstand übrigens im Jahr 1979 in Bamberg, er bietet noch immer fair gehandelte Produkte aus aller Herren Länder (Kapuzinerstraße 10) an. Die Hilfswerke spielten übrigens in den Anfängen der Bewegung in Deutschland gar keine so große Rolle wie gedacht. „Wir haben uns da eher drangehängt. Es war in den Köpfen, unabhängig von uns“, sagt Baum, der noch als Ruheständler viele Jahre lang als Mitgesellschafter des Wuppertaler Ladens geführt wurde, wo die Gepa ihren Stammsitz hat. 1996 trat Gottfried Baum in den Ruhestand, stellte sich Misereor gelegentlich noch mit Rat und Tat zur Verfügung. „Ich wollte mich nicht aufdrängen“, sagt er bescheiden. Heute ist der Kontakt lose geworden, doch viele Kollegen erinnern sich gern an ihn, so etwa der Ex-Aufsichtsratsvorsitzende Stephan Stricker. Das Ehepaar Baum zog vor einigen Jahren von Aachen nach Bamberg, wo die Tochter mit ihrer Familie wohnt. Der Sohn lebt in Venezuela – er saß zuletzt allerdings coronabedingt für mehrere Monate in Berlin fest. Den Baums selbst macht die Pandemie nicht so sehr zu schaffen: „Wir haben nicht unter der Pandemie gelitten“, sagt Mathilde Baum. In der neuen Heimat suchten und fanden sie auch kirchlich rasch Kontakt. „Das lag in der Natur der Sache“, so Gottfried Baum. In St. Josef in Bamberg-Gaustadt hat das Paar schon an ökumenischen Alltagsexerzitien teilgenommen. Und war beseelt von den dortigen Erfahrungen. 

Näheres zur Entwicklung von Misereor und Gepa finden Sie im Internet unter www.misereor.de/ ueber-uns/geschichte.

Autor: Bernd Buchner