Die Herausforderungen der Klimakrise und die damit
notwendigen gesellschaftlichen Transformationen können nur global
gelöst werden. Davon ist der Münchner Kardinal Reinhard Marx
überzeugt, wie die Pressestelle des Erzbistums am Freitag in München
mitteilte. Er äußerte sich anlässlich eines Runden Tisches der
Leibniz-Gemeinschaft zum Thema «10 Jahre nach Fukushima: Wo stehen
Atomausstieg und Energiewende?».
Marx verwies darauf, dass es in Europa zwei Entwicklungen im
politischen Denken gebe. Da sei einerseits die Tendenz, sich wieder
stärker solidarisch zu zeigen. Zum ersten Mal in der
Menschheitsgeschichte könne man auch so etwas wie ein «planetarisches
Bewusstsein» erfahren. Das habe die Klimakrise und die Pandemie
verstärkt. Aber es sei auch eine «starke partikularistische,
nationalistische Seite» vorhanden und das ausschließliche Denken in
Eigeninteressen. Mit großer Sorge sehe er die Herausforderung, ob die
freiheitlich demokratischen Gesellschaften in der Lage seien, diese
globalen Probleme zu lösen.
Bei der Veranstaltung sprechen in einer Videokonferenz ehemalige
Mitglieder der 2011 von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) berufenen
Ethik-Kommission «Sichere Energieversorgung» mit Vertreterinnen und
Vertretern aus Wissenschaft und Gesellschaft über den aktuellen Stand
der Diskussion um die Energiewende. Merkel hatte die Kommission nach
der Reaktorkatastrophe von Fukushima eingesetzt, um einen «breiten
gesellschaftlichen Konsens und hohe Akzeptanz bei Bürgerinnen und
Bürgern und Unternehmen für die Energiewende zu erreichen».
Marx erinnerte daran, das Anliegen 2011 sei gewesen, in der
strittigen Frage der Energieversorgung einen Konsens zu finden. Dass
es letztlich um den Frieden in der Gesellschaft gegangen sei, habe
ihn überzeugt, mitzutun. Heute betrachte er mit Sorge, dass dieser
gesellschaftliche Frieden wieder gefährdet sein könnte, wenn etwa die
Diskussion um die zivile Nutzung der Kernenergie erneut geöffnet
werde.
Es genüge nicht, die Illusion zu verbreiten, dass alles bleiben
könne, wie es sei und sich nichts ändern müsse, sagte Marx. Neben der
Freiheit hob er Gerechtigkeit als Kategorie in der ethischen
Diskussion um die Energiewende und die Bewältigung des Klimawandels
hervor. Menschen müssten das Vertrauen haben können, dass es in der
politischen und auch ökonomischen Transformation gerecht zugehe, dass
diejenigen, die stärker seien, auch mehr beitrügen. Die anstehende
Umwälzung laufe nicht von selbst und verursache soziale Kosten.
Autor: KNA