Frauen in der Kirche
Niedergedrückt zu werden, schmerzt. Immer wieder aufs Neue. Und doch lässt sich bei allem Frust und aller Enttäuschung der Wille zur Veränderung weder wegdiskutieren noch unter den Teppich kehren – mehr und mehr erheben Frauen ihre Stimme, werden sie doch nach ihrer Überzeugung innerhalb der katholischen Kirche wie Menschen zweiter Klasse behandelt, sind nach wie vor nicht zu den Weiheämtern zugelassen. „Gerechtigkeit“ lautete daher der Titel eines Gottesdienstes in der Erlanger Pfarrei Herz Jesu, bei der Andrea Stocklassa, Wortgottesdienstleiterin und stellvertretende Diözesanvorsitzende des Katholischen Deutschen Frauenbunds (KDFB), über die Entstehung der Bewegung Maria 2.0 sowie der Aktion „Maria, schweige nicht!“ sprach. Mit der Aktion begleitet der KDFB den Synodalen Weg, die durch den sexuellen Missbrauch angestoßene Debatte in der Kirche. Die Beteiligten erhoffen sich langfristig eine zukunftsfähige und geschwisterliche Kirche, in der Frauen und Männer gleichberechtigt sind. „In den Menschenrechten, in unserer Verfassung ist fest verankert, dass niemand aufgrund seines Geschlechts diskriminiert werden darf“, sagt Stocklassa. „In unserer Kirche ist Diskriminierung Alltag.“ Dabei gehe es den Frauen nicht darum, gegen die Männer zu arbeiten, so die 56-Jährige. Sondern: „Wir wollen auf Augenhöhe und partnerschaftlich in der Kirche tätig sein.“ Berufungserzählungen Und dann spricht Andrea Stocklassa von Berufungserzählungen aus dem Neuen Testament: von Damaris, Hannah und Susanna, von Phöbe, Marta und Johanna. „Sie alle nahmen wichtige Aufgaben in der Gemeinde wahr“, so die Religionslehrerin. Diese Frauen seien als Diakoninnen beziehungsweise Gemeindeleiterinnen aktiv gewesen – also als Priesterinnen. „Hätte es diese Frauen nicht gegeben“, ist Andrea Stocklassa überzeugt, „gäbe es die Kirche heute nicht.“ Und dann geht sie ein auf das Gleichnis vom ungerechten Richter und der bittenden Witwe aus dem Lukasevangelium: Witwen seien zur Zeit Jesu rechtlose Frauen gewesen, erklärt Stocklassa. Immer wenn in der Bibel die Rede von ihnen sei, sei von einem gütigen, sorgenden Vater die Rede, der auf der Seite der Rechtlosen stehe. Die Witwe fordere ihr Recht ein. Der Richter interessiere sich weder für ihr Schicksal noch lasse er sich davon berühren. „Er ignoriert sie“, fährt Stocklassa fort. „Wahrscheinlich nervt sie ihn sogar längst.“ Dabei sei sie keine Bittstellerin, sondern eine Kämpferin für ihre Anliegen: „Sie tritt dem Richter kraftvoll entgegen, sie fordert ihr Recht – und was ihr zusteht.“ Den guten Kampf kämpfen Auch heute stehe Gott auf der Seite derer, die für Gerechtigkeit stritten, und nicht auf der Seite derer, die die Macht missbrauchten. „Jesus fordert uns ebenfalls auf, den guten Kampf zu kämpfen: mit überzeugenden Argumenten, Hartnäckigkeit, Selbstvertrauen, Ausdauer, einem langen Atem und vor allem Gottvertrauen.“ Stocklassa möchte Mut machen, immer wieder Gerechtigkeit zu fordern, immer wieder die Stimme zu erheben und für das Recht einzutreten. „Wie die Witwe, wie Maria und all die anderen Frauen werden wir nicht mehr schweigen“, sagt sie entschlossen. Und weiter: „Die Zeit ist reif – Zweifel dürfen zurücktreten, Zuversicht wachsen: Wir fordern eine Kirche, in der Schwestern und Brüder Christi gemeinsam Verantwortung tragen und in der die Talente von Frauen und Männern zum Tragen kommen, eine Kirche, in der nicht Macht, Herkunft und Geschlecht zählen, sondern in der alle Getauften und Gefirmten eins sind in Jesus Christus – wir sind getauft zur Königin, Prophetin und Priesterin.“ Eines Tages, so hofft Andrea Stocklassa mit vielen anderen Gleichgesinnten, werde es eine Veränderung im Sinne der Frauen geben: „Ich hoffe es, ich bete darum, und ich setze mich dafür ein – denn wir sind geheiligt in der Wahrheit.“
Näheres im Internet unter www.frauenbund.de/aktion/ maria-schweige-nicht
Autor: Ulrike Schwerdtfeger