Prozessauftakt im Verfahren um vatikanischen Finanzskandal
Vatikanstadt - Nach zweijährigen Ermittlungen hat am Dienstag im Vatikan der Prozess um einen Finanzskandal begonnen, in dem erstmals ein Kardinal angeklagt ist. Am ersten Verhandlungstag
ging es nach Berichten des italienischen Rundfunks um Verfahrensfragen. Das vatikanische Staatssekretariat und die Vatikanbank (IOR) wollten als Nebenkläger in dem Verfahren auftreten.
Die Anklage wirft dem ehemaligen Substituten des Staatssekretariats, Kardinal Angelo Becciu, im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Luxusimmobilie in London Amtsmissbrauch, Veruntreuung und
Anstiftung zur Falschaussage vor. Gemeinsam mit dem 73-Jährigen stehen neun weitere Personen wegen Veruntreuung, Geldwäsche und Betrug vor Gericht, darunter der ehemalige Präsident der
vatikanischen Finanzaufsicht (AIF), René Brülhart.
Die Vatikanjustiz hatte auf eine Anzeige der Vatikanbank (IOR) hin 2019 wegen des Verdachts auf Unregelmäßigkeiten beim Erwerb einer Immobilie in der Sloane Avenue in London Ermittlungen
eingeleitet. Im vergangenen Jahr wurden fünf Mitarbeiter des Staatssekretariats und der Finanzaufsicht suspendiert. Hintergrund sind Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe in das
verlustreiche Geschäft mit der Londoner Immobilie, die in Luxus-Wohnungen umgewandelt werden sollte.
Im vergangenen Jahr erkannte Papst Franziskus seinem ehemaligen engen Mitarbeiter Becciu die mit der Kardinalswürde verbundenen Rechte ab. Die Ermittler hatten zuvor ein Netzwerk von Personen
aufgedeckt, die „den Vatikanfinanzen spürbare Verluste zugefügt“ hätten. Im Rahmen der Finanztransaktionen seien auch „Ressourcen, die für die karitative Arbeit des Heiligen Vaters bestimmt
sind, angegriffen“ worden. Dabei handelt es sich um Einnahmen aus dem Peterspfennig, eine weltweite Kollekte, die für wohltätige Zwecke dem Papst zur Verfügung steht.
Becciu weist sämtliche Vorwürfe zurück. Er sieht sich als Opfer einer Verschwörung, deren Ziel es sein soll, seine Chancen beim nächsten Konklave zur Wahl des Nachfolgers von Papst Franziskus
zu zerstören. Der langjährige Vatikandiplomat war 2011 von Papst Benedikt XVI. zum Substituten im vatikanischen Staatssekretariat mit weitreichenden Kompetenzen in der Finanzverwaltung
ernannt worden.
Autor: epd