Zu den ältesten christlichen Traditionen in der 40-tägigen Bußzeit vor Ostern gehört es, auf Fleisch zu verzichten. Wirklich gelebt wird das wohl nur noch selten. Die österliche Fastenzeit ist
aber auch eine Zeit der Besinnung, eine Zeit des bewussten Unterbrechens von Gewohnheiten. Vielleicht lohnt es sich unter dieser Perspektive, die Tradition des Fleischverzichts wieder
aufzugreifen und unseren gewohnten Fleischkonsum zu hinterfragen und zu reflektieren.
Verschiedene gesellschaftliche Gruppen sehen heute die Art und Weise unseres Fleischkonsum in Europa kritisch, die Zahl der Vegetarier und Veganer steigt deutlich, besonders in den jüngeren
Bevölkerungsgruppen. Drei Argumente werden hier vorgebracht:
1) Die intensive Landwirtschaft und die industrialisierte Nutztierhaltung, ohne die unser Fleischkonsum von 60 Kilogramm pro Kopf und Jahr nicht möglich wäre, verursachen rund 20 Prozent der
jährlichen Treibhausgasemissionen weltweit und sind damit wesentlich mitverantwortlich für den globalen Klimawandel. Weltweit werden etwa 1,5 Milliarden Rinder, 15 Milliarden Geflügel und 1
Milliarde Schweine gehalten.
Um diese Tiere zu ernähren, werden riesige Urwaldflächen gerodet. Für die Produktion der oft interkontinental transportierten Futtermittel sind darüber hinaus ein enormer Energieeinsatz und
Unmengen an synthetischen Düngern notwendig. Landwirtschaft und vor allem die Produktion von Fleisch sind somit auch die größten Treiber des Verlusts an Artenvielfalt weltweit.
2) Die Haltungsbedingungen in der intensiven Nutztierhaltung widersprechen zum Teil erheblich dem Tierwohl. Der hohe Effizienzdruck moderner Fleisch-, Milch- und Eierproduktion hat in vielen
Bereichen zu einer tiefgreifenden und würdelosen Entfremdung von unseren Nutztieren geführt: Züchtungen geschehen allein unter ökonomischen Nutzen, männliche Küken bei Legehennen oder männliche
Kälber beim Milchvieh werden aufgrund des „falschen“ Geschlechts aussortiert und getötet, die Haltung erfolgt in beengten Räumen und mit Ausnahme der Rinder oft ohne Tageslicht oder
Frischluft.
Der notwendige Einsatz von Antibiotika führt zu einer hohen Belastung des Grundwassers und trägt zur Bildung von Resistenzen bei. Jedoch kann hier keine pauschale Verurteilung von Landwirten
stehen: Gerade kleinstrukturierten landwirtschaftlichen Familienbetrieben liegt das Wohlergehen ihrer Tiere oft sehr am Herzen.
3) Es wird die grundsätzliche Frage aufgeworfen, ob Menschen Tiere überhaupt töten dürfen. Das Gegenargument, der Mensch sei ein Allesfresser, trägt nicht sehr weit, denn aus einem „können“ folgt
ja nicht automatisch ein „müssen“ oder „sollen“. Man muss sich jedoch bewusst machen, dass wir Tiere allenthalben töten.
Auch bei der Gewinnung von veganen Lebensmitteln kommen Organismen und Tiere zu schaden, allein durch die Bewirtschaftung der Böden. Entscheidend ist daher weniger „ob“, sondern „wie“ wir Tiere
töten: Gelingt es schmerz- und stressfrei? Haben wir ihnen zuvor ein Leben ermöglicht, das ihren artspezifischen und individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten entsprochen hat?
Was also tun?
Selbst wenn man nicht gleich jeden Fleischkonsum verteufeln mag, so wird doch deutlich: Die Art und Weise wie wir Fleisch konsumieren, führt oft zu einem
entwürdigenden Umgang mit unseren Mitgeschöpfen, produziert vielfache Ungerechtigkeiten gegenüber unseren Mitmenschen weltweit und gegenüber zukünftigen Generationen. Darauf versucht auch
Misereor im Rahmen der diesjährigen Fastenkampagne unter dem Stichwort „Klimagerechtigkeit“ hinzuweisen.
Es kann also nicht schaden, sich beim Fleischkauf Gedanken darüber zu machen, woher das Produkt kommt, unter welchen Bedingungen das Tier gehalten und geschlachtet wurde und transparente
Informationen darüber einzufordern.
Damit verbunden sein muss aber auch die Bereitschaft, für Produkte aus ökologisch nachhaltiger und tierwohlfreundlicher Landwirtschaft einen gerechten Preis zu bezahlen. Würden die ökologischen
und sozialen Folgekosten der jeweiligen Haltung und der Transportwege mit verrechnet und will man den Effizienzdruck auf die Landwirte verringern, könnte es „Billigfleisch“ gar nicht mehr geben,
und Fleisch würde auch preislich als das erscheinen, was es ist: ein Luxusprodukt für besondere Anlässe.
Warum also in der diesjährigen Fastenzeit nicht einfach einmal ausprobieren, das Fleisch wegzulassen oder es zumindest auf den Sonntagsbraten zu reduzieren? Vielleicht kann uns das zu einem
bewussteren Umgang mit tierischer Nahrung anregen: Nicht in Massen, sondern in Maßen. Nicht verschwenderisch, sondern genügsam und mit Genuss – verbunden mit einem „Lebensstil, der fähig ist,
sich zutiefst zu freuen, ohne auf Konsum versessen zu sein“ (Papst Franziskus: Laudato si’ 222).
Zum Autor:
Sebastian Zink ist der Umweltbeauftragte der Erzdiözese Bamberg