Odessa/München (KNA) – Der römisch-katholische Bischof von Odessa, Stanislaw Schyrokoradjuk, sieht Desinformation der russischen Bevölkerung als eine der Ursachen für die Invasion in der Ukraine. "Wir Ukrainer sind die Opfer des Krieges, das russische Volk ist ein Opfer von Propaganda", sagte der Bischof bei einer Online-Konferenz des katholischen Hilfswerks "Kirche in Not", wie dieses am Donnerstag mitteilte.
Laut Schyrokoradiuk ist der Krieg "kein Konflikt zwischen unseren beiden Völkern". Die Bewohner Russlands hätten aber keinen Zugang zu vollständigen Informationen; viele von ihnen unterstützten daher die russische Regierung, was die Aggression weiter anheize. "Ich hoffe, dass ihnen die Augen geöffnet werden, damit der Frieden kommen kann", so der Bischof. Für sein Land gebe es keine Alternative zu Unabhängigkeit, Freiheit und einer Orientierung nach Europa. Diesen selbstgewählten Weg "wollen wir weitergehen, auch wenn er für uns alle ein Kreuzweg ist".
Seine Bischofsstadt Odessa befinde sich aktuell im "Epizentrum des Krieges", so der Bischof. Jeden Tag gebe es Luftalarm und Angriffe: "So viele Ruinen, so viele Tränen, so viel Blut in unserem Land." In der Ukraine seien im ersten Monat des Krieges Hunderte Kinder getötet oder schwer verletzt worden, beklagte er. Der Hafen in Odessa sei aktuell blockiert; die ukrainische Armee habe aber den Vorstoß der russischen Marine zurückwerfen können.
Die Hafenstadt Cherson sei mittlerweile besetzt, während sich in Mykolajiw die russische Armee weiter zurückgezogen habe. In der Nacht zum Dienstag sei bei einem Angriff auch ein Gebäude der katholischen Pfarrgemeinde in Mykolajiw zerstört worden, so der Bischof. Dennoch wollten viele Bewohner bleiben; auch alle Priester seien weiter in den umkämpften Regionen präsent. "Die Pfarrer fahren von Dorf zu Dorf und bringen den Menschen Hilfsgüter. Sie machen eine sehr engagierte Arbeit, obwohl es sehr gefährlich ist."
Da der Seeweg abgeschnitten sei, habe die Diözese Odessa-Simferopol eigene Transporter organisiert, die Lebensmittel und Medikamente aus dem westukrainischen Lwiw abholen, oft unter Lebensgefahr. "Wir helfen ohne Ansehen der Religion oder Nationalität - in Odessa leben Menschen aus 120 Nationen", sagte Schyrokoradjuk. Die Menschen im Kriegsgebiet hielten fest zusammen; es herrsche sogar Optimismus. Man habe "den Humor nicht verloren"; die Menschen "versuchen, auch die positive Seite des Lebens zu sehen. So ist Odessa!"