Köln/München (epd) - Der Münchner Philosoph und frühere Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin erwartet infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine einen neuen Kalten
Krieg. „Für die Zukunft glaube ich, dass dieser Krieg sehr viel ändern wird. Das heißt zum Beispiel, dass es eine Grenze geben wird zwischen Ost und West, wie wir sie hatten“, sagte Nida-Rümelin
in dem am Freitag veröffentlichten „Wochentester“-Podcast von „Kölner Stadt-Anzeiger“ und „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND). Die neutralen Staaten Schweden und Finnland würden künftig
vermutlich der NATO angehören, ebenso wie die Ukraine.
„Es wird eine Nachkriegszeit geben, die von Feindseligkeiten geprägt ist“, sagte der ehemalige Münchner Kulturreferent und frühere Inhaber des Lehrstuhls für Philosophie und politische Theorie an
der Ludwig-Maximilians-Universität München. Wenn Russland die harten Sanktionen auf Dauer ertragen müsse, werde es zudem einen Schulterschluss mit China geben. „Dann haben wir eine
Ausgangssituation, wie wir sie lange im Kalten Krieg hatten.“
Der Philosophie-Professor verteidigte in dem Zusammenhang seine Unterzeichnung des umstrittenen Offenen Briefs an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), in dem etliche Prominente vor der Lieferung
schwerer Waffen an die Ukraine warnen. Er habe den Brief nicht geschrieben, sondern unterzeichnet, betonte Nida-Rümelin. Er hätte manche Passagen anders formuliert. „Und weniger missverständlich.
Aber ich finde, der Tenor und die Stoßrichtung stimmen“, erklärte er. Seine Sorge sei, „dass wir eine mediale Eskalation von Bellizismus erleben und dass der besonnene Kurs beendet wird“.
„Russland ist in vielem schwach, aber nicht als Nuklearmacht schwach“, warnte der Risikoethiker. „Deshalb muss man darauf achten, dass dieser Krieg so endet, dass die Ukraine keinen Diktatfrieden
erfährt, es aber auch keine Eskalation gibt wie im Ersten Weltkrieg, die noch viel schrecklicheres Leid für die ganze Welt bringt.“