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Judenfeindliche Schmähplastik muss nicht entfernt werden

 

Karlsruhe/Wittenberg (epd) - Die als Wittenberger „Judensau“ bekannte Schmähplastik darf weiter an der Stadtkirche der Lutherstadt bleiben. Der Bundesgerichtshof wies am Dienstag die Klage gegen das vorinstanzliche Urteil des Oberlandesgerichtes Naumburg (OLG) ab. (Az.: VI ZR 172/20) Der Kläger, Mitglied einer jüdischen Gemeinde, hatte die Abnahme des Sandsteinreliefs aus dem 13. Jahrhundert verlangt, weil er dadurch das Judentum und sich selbst diffamiert sieht.
Das Relief aus dem Jahr 1290 zeigt in vier Metern Höhe eine Sau, an deren Zitzen zwei Menschen trinken, die Juden darstellen sollen. Ein Rabbiner blickt dem Tier unter den Schwanz und in den After. Im Judentum gilt ein Schwein als unrein. Die „Judensau“ gehört deshalb nach Ansicht des Klägers, einem Mitglied der jüdischen Gemeinde, in ein Museum.
Der Kläger könne nicht die Entfernung verlangen, weil es an einer „gegenwärtigen Rechtsverletzung“ fehle, sagte der Vorsitzende Richter Stephan Seiters des VI. Zivilsenats am Dienstag in Karlsruhe zur Begründung. Die Beklagte habe den ursprünglich rechtsverletzenden Zustand dadurch beseitigt, dass eine Bodenplatte und ein Aufsteller angebracht wurden.
Isoliert betrachtet verhöhne und verunglimpfe das Relief das Judentum als Ganzes. Der rechtsverletzende Zustand werde allerdings nicht allein durch die Entfernung, sondern auch durch die Distanzierung beseitigt, so Seiters. Bei Gesamtbetrachtung habe sich die beklagte Kirche durch die Anbringung einer Bodenplatte und eines Aufstellers erfolgreich vom Inhalt des Reliefs distanziert.
Stadtkirchenpfarrer Alexander Garth zeigte sich nach dem Urteil erleichtert. Gleichzeitig spüre er jedoch eine Verpflichtung, an der Distanzierung weiterzuarbeiten, sagte er vor Journalisten in Karlsruhe. Das werde die Kirchengemeinde tun. Das Relief sei ein „Schandmal, das den jahrhundertelangen christlich motivierten Antijudaismus“ symbolisiere. „Wir müssen hier als Christen eine klare Botschaft gegenüber dem jüdischen Volk geben. Wir müssen etwas dagegensetzen, das lauter spricht als dieses Schandmal“, sagte Garth. Wie das konkret aussehen werde, könne er noch nicht sagen. Es solle jedoch zeitgemäß sein.
Zuvor hatte das Oberlandesgericht Naumburg (OLG) bereits entschieden, dass das Relief nicht beseitigt werden muss, weil es seit 1988 in ein Gedenkensemble eingebunden sei. Auf einem Mahnmal befindet sich unter anderem ein Erklär-Text, in dem sich die Gemeinde von der Skulptur distanziert.
Nachvollziehbar, aber dennoch enttäuschend nennen Vertreter des Judentums das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zum Verbleib der judenfeindlichen Schmähplastik an der Wittenberger Stadtkirche. Dass diese erniedrigende und verletzende Darstellung weiterhin offen zu sehen sein wird, sei in Zeiten des Anstiegs eines bedrohlichen und zunehmend gewalttätigen Judenhasses mehr als bedenklich, sagte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, am Dienstag in München. Auch Zentralratspräsident Josef Schuster aus Würzburg hat sich eine deutlichere Positionierung des Bundesgerichtshofs gewünscht.  „Das Urteil des BGH, dass die Schmähplastik nicht entfernt werden muss, ist nachvollziehbar“, sagte Schuster in Berlin. Er vermöge der Begründung des Bundesgerichtshofs aber insofern nicht zu folgen, als nach seiner Auffassung „weder die Bodenplatte noch der erläuternde Schrägaufsteller eine unzweideutige Verurteilung des judenfeindlichen Bildwerks beinhalten“.