München (KNA) - Jesuitenpater Ansgar Wiedenhaus sieht die katholische Kirche an einem Kipp-Punkt. „Viele gucken jetzt noch mit großen Hoffnungen auf den Synodalen Weg“, sagte Wiedenhaus der
„Süddeutschen Zeitung (Montag). Aber die letzten Signale von anderen Bischofskonferenzen und auch von Papst Franziskus ließen für den Dialog zur Zukunft der Kirche in Deutschland nicht gerade
hoffen. Der 50-Jährige bietet seit Januar in der Offenen Kirche St. Klara in Nürnberg das Gesprächsformat „Exit?“ als Begleitung für Austrittswillige an.
Katholisch sei für ihn die Idee, „dass unterschiedlichste Leute in Anerkennung ihrer Verschiedenheit im Dialog zusammenkommen und gemeinsam versuchen, aus der Welt eine Welt für alle zu machen“,
sagte der Jesuit. „Dafür zu sorgen wäre eigentlich die Aufgabe der Kirchen-Offiziellen.“ Im Moment habe man jedoch eine Behörde, „die nicht für Einheit sorgt, sondern für Uniformität“. Mit dem
Synodalen Weg werde nicht die Einheit der Kirche gefährdet, wie Kritiker des Projekts behaupteten, sondern die Uniformität durchbrochen.
In der aktuellen Lage auf die positiven Aspekte von Kirche zu verweisen hält der Seelsorger für falsch. „So eine Bilanz zu ziehen - jaja, wir haben systematisch Missbrauch vertuscht, aber wir
haben auch viele schöne Kindergärten - das ist eine üble Rechnung. Das geht gar nicht“, so Wiedenhaus. „Oft wird dann gesagt: Mit der Kirche geht man aber ganz besonders hart ins Gericht, schaut
doch mal in andere Institutionen. Da entgegne ich: Die Kirche war aber auch viele Jahre nicht schlecht darin, hart mit anderen ins Gericht zu gehen.“ Die Kirche ernte, was sie gesät habe. „Da ist
was Kaputtes in unserer Kirche, was sich vielleicht nicht mehr reparieren lässt.“
Über seine Gespräche mit Austrittswilligen sagte Wiedenhaus, diese hätten eine zusätzliche Schärfe bekommen. „Früher hieß es, soll ich gehen oder soll ich bleiben? Inzwischen fragen sich viele:
Ist es moralisch überhaupt noch vertretbar, zu dieser Kirche zu gehören? Oder unterstütze ich damit nicht ein Unrechtssystem?“
Ihn beschäftige es, dass die Ausgetretenen so behandelt würden, „als seien sie nichts“, fügte der Jesuit hinzu. „Wir reden immer über die Kirche wie über eine Firma, die ihr Produkt loswerden
muss und sonst pleite geht. Aber was mich viel mehr bedrückt: Wenn die Kirche ihren Auftrag nicht mehr erfüllt, nämlich für Menschen da zu sein und Hoffnung zu geben und für Gerechtigkeit
einzustehen - dann ist mein Hauptproblem nicht, dass die Institution Kirche zugrunde geht.
Sondern dass Menschen nicht mehr geholfen wird.“