München (KNA) - Zum zweiten Mal in drei Monaten hat Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) dem Landtag zum Komplex Strafverfolgung von sexuellem
Missbrauch im Raum der Kirchen berichtet. Demnach spielen kirchliche Studien oder Anzeigen dabei zahlenmäßig fast keine Rolle. Entscheidend sei das Verhalten der Geschädigten oder Dritter, so der
Minister.
Eisenreich legte den Abgeordneten unter anderem eine Übersicht vor, in der die seit 2017 von bayerischen Staatsanwaltschaften eingeleiteten Ermittlungsverfahren und ihr Ausgang aufgelistet sind.
Demnach gab es 43 Verfahren infolge der Auswertung von Gutachten, die von der Kirche in Auftrag gegeben worden waren. Weitere 134 Mal wurde infolge von Mitteilungen der Kirchen ermittelt, bei 66
Fällen lagen Anzeigen Geschädigter oder Dritter zugrunde.
Nur in einem Fall, der aus einem Gutachten resultierte, kam es dem Bericht zufolge zu einer Verurteilung; drei Verurteilungen lag zunächst eine Mitteilung der Kirchen zugrunde, 17 gingen auf eine
Strafanzeige Geschädigter oder Dritter zurück. Außerdem führten von Amts wegen eingeleitete Ermittlungen zu neun Verurteilungen, davon acht wegen Umgangs mit Kinderpornografie. Von den insgesamt
30 Verurteilungen betreffen 24 die katholische, 6 die evangelische Kirche.
Laut Eisenreichs Bericht prüft die Staatsregierung weiterhin die Beauftragung einer bayernweiten Dunkelfeldstudie zu Missbrauch im Bereich der Kirchen. Damit entspricht sie einer Aufforderung des
Landtags vom 19. Mai. Wie eine Sprecherin des Justizministeriums auf Anfrage erläuterte, sind an der Prüfung auch das Sozial- und das Innenministerium beteiligt. Eine solche Dunkelfeldstudie
liegt bisher weder in Deutschland noch auf Ebene eines Bundeslandes vor.
Der kirchenpolitische Sprecher der Landtags-FDP, Matthias Fischbach, sagte, „dass wir wohl erst am Beginn und nicht am Ende der parlamentarisch angetriebenen Aufklärung stehen“. Irritiert zeigte
er sich von dem Umstand, dass sich die Strafverfolger die erste große Missbrauchsstudie einer Rechtsanwaltskanzlei für das Erzbistum München und Freising von 2010 erst neun Jahre später vorlegen
ließen, wobei die Namen Geschädigter geschwärzt waren. „Dass der Justizminister nun behauptet, dies habe die Ermittlungen nicht beeinträchtigt, fällt schwer zu glauben.“