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Auch im Ruhestand joggen und twittern

Bamberg (hal) – Mit Dankbarkeit und Zuversicht ist Ludwig Schick am Allerheiligentag aus dem Amt als Bamberger Erzbischof ausgeschieden. In der Zeit bevorstehender Entscheidungen und Reformen soll die Verantwortung rechtzeitig ein Nachfolger übernehmen, der noch mindestens zehn Jahre die Geschicke des Erzbistums leiten wird. Die katholische Kirche sieht er derzeit in einer Phase der Neuorientierung.
Vor gut 20 Jahren, am 21. September 2002, wurde Schick in das Amt als Erzbischof von Bamberg eingeführt. Er übernahm die Bistumsleitung in einer Zeit der finanziellen Krise, die schwere Entscheidungen nötig machte. Längst sind die Finanzen konsolidiert, ein Fachmann ohne Priesteramt wurde als Finanzdirektor eingesetzt, der Posten einer Ordinariatsdirektorin wurde geschaffen, drei Hauptabteilungsleitungen sind mit Frauen besetzt und viele Kirchen, Schulen, Bildungshäuser und andere Gebäude im Bistum konnten saniert werden.
Die Strukturen des Bistums wurden den veränderten Bedingungen angepasst und neue Seelsorgebereiche gegründet. In seiner Amtszeit wurde die Partnerschaft mit dem Bistum Thiès im Senegal aufgebaut. Jetzt sieht Schick seine Arbeit als abgeschlossen und tritt, wie seine drei Vorgänger, vorzeitig in den Ruhestand.
Ludwig Schick passt in keine Schublade, wenn es um die Frage nach liberal oder konservativ geht. Als Theologieprofessor und Kirchenrechtler verteidigte er stets die katholische Lehre, auch wenn es unpopulär oder unbequem war, und lehnte beliebige Anpassungen an den Zeitgeist ab. Zugleich schlug er Lockerungen beim Zölibat vor, indem er anregte, mehr von der Dispens-Möglichkeit Gebrauch zu machen.
Immer wieder sprach er sich für die völlige Gleichberechtigung der Frau in der Kirche aus, wissend, dass viele seiner Mitbrüder die Frage des Frauenpriestertums für abschließend beantwortet halten. Auch das Lehramt verändert sich, so die Überzeugung des Kirchenrechtlers. Dass die Kirche sich immer reformieren muss, steht für ihn außer Frage. Und dass der Heilige Geist zu Veränderungen führen kann, die heute noch niemand für möglich hält, davon ist er auch überzeugt.
Mit seinem Einsatz gegen Extremisten, Populisten und religiöse Fanatiker hat Schick sich viele Feinde im rechten Lager gemacht. Schon 2014 sagte er, dass Christen sich nicht an fremdenfeindlichen Pegida-Demonstrationen beteiligen sollten. 2016 sagte er beiläufig in einer Diskussionsrunde, dass laut Grundgesetz auch ein Moslem Bundespräsident werden könnte. Die Erwähnung dieser juristischen Selbstverständlichkeit führte zu üblen Beschimpfungen bis zu Todesdrohungen aus der rechten Szene, Polizei und Staatsschutz wurden aktiv.
„Ich bin kein ängstlicher Mensch“, sagte Schick. „Aber wenn man es mit Fundamentalisten oder Fanatikern zu tun bekommt, kann einem Angst und Bange werden.“ Das hielt ihn aber nicht davon ab, immer wieder klar die christliche Position gegen Fremdenhass und Extremismus zu beziehen. Erst vor kurzem warnte er vor rechten Tendenzen auch in der katholischen Kirche.
Von 2006 bis 2021 war Schick Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz und galt damit als eine Art „Außenminister“ der katholischen Kirche in Deutschland. Seine Reisen führten ihn in viele Krisenregionen wie Syrien, Irak, Nigeria.
 Im vergleichsweise „hohen Alter“ entdeckte Schick seine Leidenschaft für die sozialen Medien. Noch vor Papst Benedikt XVI. war er 2012 der erste katholische deutsche Bischof auf Twitter. Längst bedient er auch seine Facebookseite mit Tablet und Smartphone selbst und nutzt die Social-Media-Kanäle, um seine Botschaften zu verbreiten und mit Menschen in Kontakt zu sein. Schick ist überzeugt: „Jesus würde heute twittern.“ Und auf die Frage, was er am liebsten erfunden hätte, antwortete er: „Twitter“.
In einem Fragebogen verriet er auch, dass er vor dem Eintritt ins Priesterseminar ein leidenschaftlicher Tänzer war, dass sein miesester Auftritt seine Abirede war, er vom Kuchenbacken überhaupt nichts versteht und er seit der Entscheidung für den Zölibat nicht mehr geflirtet hat.
Er macht kein Geheimnis daraus, dass er vor der Entscheidung für das Priestertum eine Freundin hatte und dass er ursprünglich Arzt werden wollte. „Aber im Nachdenken und durch Gespräche mit klugen Menschen wurde mir immer deutlicher: Du solltest etwas für das geistig-geistliche Leben der Menschen tun; ihnen für die Seele etwas geben, dass sie gut leben können“, sagte er.
Dabei sei ihm das Evangelium als die Quelle der Weisheit für ein gutes Leben immer deutlicher aufgegangen: „Irgendwann war dann der Entschluss reif: Du wirst Pfarrer und trägst dazu bei, den Menschen die Weisheit Gottes aus dem Evangelium nahezubringen. So habe ich mich entschlossen, Priester zu werden.“
Seine philosophisch-theologischen Studien absolvierte Schick in Fulda und Würzburg. 1975 wurde er in Fulda zum Priester geweiht und war dann Kaplan in Neuhof (Kreis Fulda). Fünf Jahre später promovierte er an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom. Von 1981 an lehrte Schick in Fulda und in Marburg Kirchenrecht, von 1985 bis 2002 war er Lehrstuhlinhaber für Kirchenrecht an der Theologischen Fakultät Fulda.
1987 wurde Schick ins Domkapitel von Fulda berufen, drei Jahre später folgte die Ernennung zum stellvertretenden Generalvikar. Bischof Johannes Dyba ernannte Schick 1995 zum Generalvikar des Bistums Fulda. Es folgte 1998 die Ernennung zum Weihbischof von Fulda durch Papst Johannes Paul II. 2002 wurde er zum Erzbischof von Bamberg ernannt.
Die katholische Kirche sieht Schick derzeit in einer Phase der Neuorientierung. „Reformen sind möglich und nötig“, betonte er und machte auch deutlich, dass die Gemeinschaft der Glaubenden wichtiger ist als die Institution Kirche. Die Gläubigen sollten sich aktiv an den Reformen der Kirche beteiligen. Sein Wunsch für die Zukunft ist es, „dass die Weltgesellschaft vom Geist des Evangeliums geleitet wird und sich die Zivilisation der Liebe überall verbreitet“.
Und für sich selbst wünscht er sich, versöhnt mit allen Menschen zu sterben. Augenzwinkernd fügte er hinzu: „Das hat aber noch Zeit, das Sterben.“
Dass er schon 25 Mal das Goldene Sportabzeichen ablegte und jeden Morgen um 5 Uhr zum Joggen geht, zeigt, dass seine Gesundheit nicht der Grund für den Rücktritt war. Laufen und Schwimmen sind heute seine bevorzugten Sportarten, während er in früheren Jahren den Ausgleich beim Fußball, Volleyball oder im Kampfsport gefunden hat.
In den letzten Monaten seiner Amtszeit musste Schick sich auch verstärkt mit der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen befassen. Jeder Fall habe ihn tief erschüttert, betonte er und räumte auch Kommunikationsfehler der Bistumsleitung in den vergangenen Jahrzehnten ein. Missbrauch sei Mord an Kinderseelen.
Seinen Ruhestand möchte Schick am Bamberger Domberg verbringen. Und man kann sicher sein, dass er sich nicht tatenlos zur Ruhe setzen wird. Seine für die nächsten Monate zugesagten Aufgaben will er gerne auch als „Emeritus“ erfüllen. Und wenn es dann seine gewonnene Zeit erlaubt, möchte er noch ein Buch schreiben. Den Titel dafür hat er zumindest schon im Kopf. Und seinen Twitter-Account wird er auch weiter bedienen.