Nürnberg (epd) - Viele Menschen sorgen sich wegen des Klimawandels und wollen nachhaltiger leben - aber deutlich weniger setzen dieses Ziel effektiv um. Die meisten überschätzen
die Effekte ihrer Handlungen im Alltag, sagte Autor und Psychologe Thomas Brudermann bei einer Lesung aus seinem Buch „Die Kunst der Ausrede“ am Montagabend in Nürnberg. Denn große
Umweltkampagnen hätten in der Vergangenheit Verhaltensweisen thematisiert, die zwar gut für die Umwelt sind, deren Effekt aber eher gering ist.
So sei beispielsweise das Ausschalten von Licht in Räumen, in denen man sich nicht aufhält, oder das Vermeiden von Einwegplastik sehr viel weniger effektiv als eine vegane Ernährung oder ein
Verzicht aufs Fliegen. Leichter umzusetzende Verhaltensweisen würden häufig als Ausrede verwendet, um klimaschädliches Handeln an anderer Stelle moralisch zu rechtfertigen. „So viel Licht kann
ich aber in meinem ganzen Leben nicht ausschalten, dass ich eine Reise mit dem Flugzeug ausgleiche“, sagte der Nachhaltigkeitsforscher von der Universität Graz. Auch das Kompensieren von
Emissionen über Aufforstungsprojekte werde oft als Ausrede verwendet. „Eine Buche müsste für einen Hin- und Rückflug von Nürnberg nach Lissabon allerdings 80 Jahre lang wachsen. Das geht sich
also nicht aus.“
Mitorganisiert wurde die Lesung von der Initiative „Nürnberg autofrei“. Gänzlich auf ein Auto zu verzichten, gehöre zu den wirksamsten, aber auch zu den schwierigsten Alltagsentscheidungen für
die Nachhaltigkeit, skizziert Brudermann in seinem Buch. Das liege an dem Stellenwert des Autos für das Leben einiger Menschen, aber auch an den Strukturen, die einen Umstieg erschweren. „Die
Politik nimmt gern das Individuum in die Verantwortung, aber auch das ist oftmals eine Ausrede.“ Initiativen aus der Bevölkerung könnten durch den Druck von außen zur Veränderung beitragen.
Für einen echten Wandel sei es außerdem wichtig, Aufgaben zusammen anzugehen, statt sich gegenseitig die Verantwortung zuzuschieben, ist Brudermann überzeugt. Ideen zur Nachhaltigkeit müssten mit
möglichst vielen Menschen aus unterschiedlichen sozio-ökonomischen Gruppen gemeinsam entwickelt werden. Ein gutes Beispiel dafür seien Klimaräte. Um nicht an der großen Aufgabe des Klimawandels
zu verzweifeln, brauche es neben berechtigter Sorge zudem auch positive Emotionen, wie einen gewissen Zweckoptimismus.