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Ein Brauch, der weit zurückgeht

In der Ausstellung über die Geschichte des Hungertuchs in Rattelsdorf erfahren Interessierte viel über einen Brauch, der nicht erst mit der Misereor Fastenaktion ins Leben gerufen wurde.   Foto: privat
In der Ausstellung über die Geschichte des Hungertuchs in Rattelsdorf erfahren Interessierte viel über einen Brauch, der nicht erst mit der Misereor Fastenaktion ins Leben gerufen wurde. Foto: privat

Rattelsdorf (kem) – Seit 1976 erscheint beim Misereor Hilfswerk alle zwei Jahre ein aktuelles Hungertuch zur Fastenzeit. Doch was steckt hinter diesen Tüchern? Woher kommt ihr Name und wie weit geht die Geschichte zurück? All diese Fragen behandelt eine Ausstellung die vom 4. März bis einschließlich Palmsonntag in der Pfarrkirche St. Peter und Paul in Rattelsdorf zu sehen ist.
Initiator Klaus Schmittlutz hat Informationen über diesen Brauch in der Fastenzeit zusammengetragen. „Das, was wir als Hungertuch kennen, tauchte erstmals von 700 Jahren in Münster auf“, so Schmittlutz. Doch die frühesten Erwähnungen vom Brauch ein Fastentuch vor dem Altar aufzuhängen, fanden sich bereits im neunten Jahrhundert. Meist hing es im Chorbogen der Kirche vor dem Hauptaltar und verhüllte diesen. Bis ins zwölfte Jahrhundert waren die Bilder einfarbig häufig auf Leinen oder Seide bedruckt. Nur selten waren es Stickereien.
Bibel in Bildern erzählt
Auf Einzelbildern wurde hier die Heilsgeschichte Gottes, den Menschen nähergebracht. Dies war wichtig, denn im ausklingenden Mittelalter gab es viele, die weder lesen noch schreiben konnten. Durch Bilder wurde so auch der ärmeren Bevölkerung die Bibel näher gebracht.
In der Neuzeit griff das Misereor Hilfswerk den Brauch der Hungertücher – im Volksmund auch Palmtücher, Passionstücher oder Schmachtlappen genannt – wieder auf, um damit auf die eigenen Projekte in Asien, Afrika, Ozeanien und Lateinamerika hinzuweisen. Das erste dieser Art schuf der indische Maler Jyot Sahi. Seitdem gibt es alle zwei Jahre ein Hungertuch, dass immer von Künstlern aus den ärmeren Regionen der Welt geschaffen wird.
Das aktuelle Tuch des nigerianischen Malers Emeka Udemba unter dem Titel „Was ist uns heilig?“ ist eine Collage aus vielen Schichten ausgerissener Zeitungsschnipsel, Kleber und Acryl aufgebaut: Nachrichten, Infos, Fakten, Fakes – Schicht um Schicht reißt und klebt der Künstler diese Fragmente und komponiert aus ihnen etwas Neues. In einen freien rötlichen Raum ohne Horizont hineingesetzt, ragen zwei Unterarm- und Handpaare offen in die Fläche hinein: Ihre Hände berühren sachte die Erdkugel, die sie gemeinsam halten, ihr aber auch Spielraum lassen. Die Kugel bleibt in der Schwebe von Halten und Loslassen, Schutz und Preisgabe.
Auch das aktuelle Hungertuch, das die Fastenaktion 2023/2024 begleitet, ist nun in Rattelsdorf zu sehen – zusammen mit den Tüchern der Vergangenheit und vielen Informationen rund um das Thema Hungertuch. Wer also erfahren will, wo das größte Hungertuch hängt, warum es „am Hungertuch nagen“ heißt und was es wörtlich mit dem Begriff „Schmachtlappen“ auf sich hat, sollte nach St. Peter und Paul gehen.
Führungen
Die Ausstellung kann zu den Öffnungszeiten der Pfarrkirche besichtigt werden. An den Fastensonntagen bietet Klaus Schmittlutz zusätzlich jeweils um 14.30 Uhr eine Führung durch die Ausstellung an. Im Nachgang kann bei Kaffee und Kuchen im Pfarrheim noch über das Gesehene mit dem Initiator diskutiert werden.