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Gemeinden haben geschwiegen

Essen (KNA) – Verantwortliche im Bistum Essen haben lange Zeit die Augen vor Missbrauch verschlossen. Das zeigt eine aktuelle Studie. Vorwürfe verschwiegen und Taten geleugnet haben aber auch viele Menschen in den Pfarreien vor Ort.
Der junge Priester ist beliebt in der Pfarrei. Er geht neue Wege in der Jugendarbeit, hat Charisma, stößt Projekte an. Doch dann gibt es Anschuldigungen, der Geistliche fasse Kinder an. Das Wort Missbrauch steht im Raum. Die Gemeindemitglieder reagieren schockiert – und verteidigen den Pfarrer. Sie wollen die Vorwürfe nicht glauben, auch nicht, als immer mehr Hinweise bekannt werden. „Unser Pfarrer ist ein guter Pfarrer“, spielen sie die Taten herunter oder leugnen diese ganz.
So reagierten viele Gemeinden fast reflexhaft, sobald Missbrauchsvorwürfe gegen Priester aufkamen, sagt die Sozialwissenschaftlerin Helga Dill vom Münchner Institut IPP. Gemeinsam mit dem Berliner Institut Dissens veröffentlichte es am 14. Februar eine Aufarbeitungsstudie zu sexueller Gewalt im Bistum Essen seit seiner Gründung 1958.
Die Forschenden blicken vor allem auf die Strukturen, die Missbrauch ermöglichten, gerade in den Gemeinden. Denn hier – und daneben in Heimen – fanden die meisten der Taten im Ruhrbistum statt.
Neueste Zahlen, die das Bistum selbst jetzt vorlegte, belegen für die 65 Jahre seit der Bistumsgründung 1958 insgesamt 423 Fälle und Verdachtsfälle sexualisierter Gewalt sowie 201 Beschuldigte, darunter 129 Geistliche und 19 Ordensfrauen. Bis ins Jahr 2010 reagiert das Bistum Essen der Untersuchung zufolge unzureichend oder gar nicht auf Verdachtsfälle. Wegen dieser mangelnden Verantwortungsübernahme und der Versetzung von Tätern sei die sexualisierte Gewalt nicht gestoppt worden. Bis 2010 seien auch keine Bemühungen des Bistums festzustellen, Betroffene zu unterstützen oder ausfindig zu machen. Dann aber sei ein hartes Durchgreifen gegenüber den mittlerweile betagten Tätern zu erkennen, worin die Forschenden den Ausdruck eines institutionellen Schuldgefühls sehen.
Und in den Gemeinden? „Wir sehen, dass durch diese Taten erhebliches menschliches Leid auch auf der Gemeindeebene ausgelöst wurde“, sagt Studienleiterin Dill. So habe es hartnäckiges Schweigen gegeben, aber auch Schuldgefühle. Betroffene, die über ihre Fälle gesprochen haben, seien ausgegrenzt worden, zum Teil auch ihre Familien. Viel Solidarität hätten hingegen die beschuldigten Priester erfahren. „Dass der gute Pfarrer idealisiert wird, ist etwas Spezifisches der katholischen Glaubensorganisation“, erklärt Dill. Weil katholische Priester geweiht würden, schienen sie für viele Gläubige besonders nah an Gott und unangreifbar zu sein.  …

Den ausführlichen Beitrag lesen Sie in der Ausgabe 09/2023