Bamberg (ku / KNA) - Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt in drei Fällen – so lautete die Anklage der Staatsanwaltschaft gegen die Äbtissin der Abtei Maria Frieden in
Kirchschletten, Mutter Mechthild Thürmer. Die Verhandlung in der vergangenen Woche im Amtsgericht Bamberg sorgte im Vorfeld für Aufsehen und entsprechend groß war das öffentliche und mediale
Interesse. Würde die 64-Jährige Ordensfrau – wie angedroht – zu einer „empfindlichen Freiheitsstrafe“ verurteilt werden, oder würde es zu einem Freispruch kommen? Das Urteil: Das Verfahren gegen
die Äbtissin wegen der Gewährung von Kirchenasyl wurde ohne weitere Auflagen eingestellt, die Kosten trägt die Staatskasse. Damit verzichteten alle Prozessbeteiligten auf eine erneute
Beweisaufnahme sowie ein förmliches Urteil.
Der Prozess gegen Mutter Mechthild sollte schon im Sommer 2020 stattfinden, wurden dann aber kurzfristig wegen Ermittlungen in weiteren Fällen von Kirchenasylgewährung gegen sie abgesagt und
später wegen der ausstehenden Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgericht (BayOLG) vertagt.
Im vergangenen Jahr waren eine Oberzeller Franziskanerin und ein Münsterschwarzacher Benediktiner wegen der Gewährung von Kirchenasyl freigesprochen worden. In einem letztinstanzlichen Urteil
hatte das BayOLG festgestellt, dass die bloße Beherbergung von Flüchtlingen, denen eine Abschiebung droht, nicht strafbar ist. Die Gastgeber können demnach auch nicht verpflichtet werden, den
Aufenthalt aktiv zu beenden, wenn der Asylantrag im Rahmen einer Härtefallprüfung erneut angelehnt worden ist. Diese Pflicht beschränkt sich laut BayOLG auf den Flüchtling und die staatlichen
Behörden.
Beim Verlesen der Anklageschrift ging Staatsanwalt als Gruppenleiter Matthias Schmolke auf die drei Fälle von Kirchenasyl ein, die Äbtissin zur Last gelegt wurden. Drei Frauen aus Eritrea,
Nigeria und dem Irak hätten in den Jahren 2018 bis 2020 auf Grundlage des Dublin-Verfahrens nach Italien beziehungsweise Rumänien abgeschoben werden sollen. Doch sie flüchteten sich in die Abtei
Maria Frieden.
Von Richter Thomas Fahr nach den Zielen für die Aufnahme ins Kirchenasyl befragt, sagte Mutter Mechthild: „Ich hatte die Hoffnung, dass diese Menschen eine Zeit lang angstfrei in Deutschland
leben und sich seelisch erholen können, um dann mit einer weiteren Befragung durch das Bamf (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) anders umgehen zu können.“ Nie wäre sie darauf gekommen,
„dass das illegal ist, da ich alles immer ganz nach Vorschrift an die Behörden gemeldet habe“. Auch habe sie stets die Zustimmung der Beauftragten der Deutschen Bischofskonferenz für Kirchenasyl
bekommen.
Eindringlich schildert die 64-Jährige den Zustand der drei Frauen, deren Körper von Vergewaltigungen und Misshandlungen gezeichnet waren. „Die Schilderungen der Frauen waren zum Erbarmen. Sie
hatten Panik, zurückgehen zu müssen“, so Mutter Mechthild Thürmer. Die sei vor allem bei der nigerianischen Frau der Fall gewesen, die bereits dreimal nach Italien und sogar einmal von dort
zurück nach Libyen gebracht worden war. In Italien habe sie unter Brücken geschlafen, sei vergewaltigt und misshandelt worden, habe sich mit HIV infiziert. „Ihr Körper war mit Narben übersät“, so
Mutter Mechthild.
Bei der Verhandlung deuteten Richter und Staatsanwalt an, dass sich aus ihrer Sicht gerade dieser Fall in einer Grauzone bewege. Die Nigerianerin war Anfang 2020 in der Abtei Maria Frieden
aufgenommen worden, obwohl es schon einen ablehnenden Bescheid des Bamf nach einer erneuten Härtefallprüfung gegeben hat. Davon habe sie aber erst am Tag nach der Aufnahme erfahren, versicherte
die Kirchschlettener Äbtissin.
Das unterstrich auch Rechtsanwalt Franz Bethäuser und betonte in seinen Ausführungen, dass alle Personen, die ins Kirchenasyl aufgenommen wurden, immer wieder erklärten, dass Mutter Mechthild nie
auf sie eingewirkt habe, in der Abtei zu bleiben, sondern sie freiwillig geblieben seien.
Staatsanwalt und Richter erläuterten im weiteren Verlauf der Verhandlung, dass sich ein Freispruch nicht aufdränge, es jedoch nicht angemessen sei, in eine Beweisaufnahme zu gehen und Zeugen zu
hören. Staatsanwalt Schmolke bot vielmehr an, das Verfahren nach Paragraf 153 Strafprozessordnung einzustellen, was auch Richter Fahr gut hieß. Ein kurzes Zögern auf Seiten von Rechtsanwalt
Bethäuser und Mutter Mechthild Thürmer, dann aber auch hier Zustimmung, so dass die Verhandlung unspektakulär endete, wenngleich auch nicht mit dem erhofften Freispruch.
„Es ist eigentlich egal, ob es eine Einstellung oder ein Freispruch ist“, sagte eine sichtlich erleichterte Äbtissin nach dem Verhandlungsende. Und auf die Frage, ob sie wieder Personen in ihrer
Abtei ins Kirchenasyl aufnehmen würde, antwortete Mutter Mechthild, die für ihr Engagement für Flüchtlinge unter anderem mit dem Göttinger Friedenspreis auszeichnet wurde: „Ich würde sie
wieder nehmen, wenn es Anfragen geben würde. Wir haben in der Abtei die entsprechenden Räume.“
Diözesanadministrator Weihbischof Herwig Gössl begrüßte in einer ersten Stellungnahme die Einstellung des Verfahrens, „da Mutter Mechthild ausschließlich aus christlicher Nächstenliebe gehandelt
habe“. Hierfür danke er ihr, wie Bistumspressesprecher Harry Luck ausführte. Im übrigen halte die Bamberger Bistumsleitung weiter am Kirchenasyl als einer Möglichkeit fest, Härtefälle noch einmal
rechtsstaatlich zu prüfen.