Nürnberg (buc) – Ende des Pflichtzölibats, Geistliche im Nebenberuf, massive Veränderungen bei der Ausbildung, höheres Mindestalter: Ein umfassendes Reformprogramm für die künftige Rolle der
Priester in der katholischen Kirche hat der emeritierte Erzbischof Ludwig Schick vorgelegt. Selbst am Begriff „Priester“ hegt er Zweifel. Der langjährige Bamberger Oberhirte, der vor knapp fünf
Monaten vorzeitig aus dem Amt schied, äußerte sich bei einer Fastenpredigt in der Nürnberger Allerheiligenkirche.
Es brauche „eine neue Form des priesterlichen Dienstes und Lebens“, um Gott wieder mehr zur Sprache zu bringen und neues Interesse an Jesus Christus als dem Herrn und Heiland zu wecken, sagte
Schick bei seinem überraschenden Vorstoß: „Es wird verheiratete und unverheiratete Priester geben.“ Der langjährige Bamberger Oberhirte hatte sich bereits in seiner Amtszeit immer wieder kritisch
über die verpflichtende Ehelosigkeit der Geistlichen geäußert, nicht aber im Rahmen einer so weitgehenden Agenda und in Verbindung mit einer so deutlichen Kritik an den Priestern der
Gegenwart.
Diesen warf der emeritierte Erzbischof ein „selektives Kommunikationsverhalten“ vor. Sie redeten vor allem unter ihresgleichen, wo sie Zuspruch fänden. „Dialogfähigkeit mit allen und über alles –
das muss Priester auszeichnen“, verlangte Schick. Kommunikationsfähigkeit solle künftig auch bei der Auswahl und Zulassung zum Priesteramt das wichtigste Kriterium sein. Die Geistlichen dürften
nicht „in ihrem traditionellen Denken stehenbleiben“, sondern müssten sich umfassende Kenntnisse in Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften aneignen. „Sie müssen Glauben und Wissen
zusammenbringen.“
Künftige Priester sollten vor ihrer Weihe mehr Alltagserfahrungen sammeln können, unterstrich der Theologe: „Es wird zum Mindestalter 30 Jahre kommen.“ Bisher können Männer bereits mit 25 zum
Priester geweiht werden. Viele Geistliche würden zudem einen zweiten Beruf oder ein zweites Studium haben, ergänzte Schick. Wörtlich sagte er: „Es wird auch Teilzeitpriester geben, die ihren
priesterlichen Dienst in der Freizeit tun.“ Seinen Vorstoß verband der emeritierte Erzbischof mit einer Kritik an der Bezeichnung „Priester“. Der Begriff sei nicht neutestamentlich und in seiner
damaligen Bedeutung nicht auf das heutige katholische Priesteramt zu beziehen. Künftig werde verstärkt vom „Presbyter“ die Rede sein. Presbyter (Griechisch für „Ältester“) ist die Bezeichnung für
Leitungsämter in den Christengemeinden der ersten Jahrhunderte.
Die heutigen Pfarreien sollten bei der Auswahl und Beurteilung der Priester und des priesterlichen Dienstes wesentlich stärker als bisher beteiligt werden, erläuterte Schick. Die Geistlichen
wiederum müssten viel stärker mit den Haupt- und Ehrenamtlichen vor Ort zusammenarbeiten, als das heute der Fall sei. „Priester werden vor allen Dingen Teamplayer sein“ und sollten als
Dialogpartner für die Kirche wirken, so der Theologe. Zugleich sollten sie „ihr Spezifisches bewahren“, so Schick unter Berufung auf den Text „Presbyterorum Ordinis“ des Zweiten Vatikanischen
Konzils. Darin heißt es, die Weihe befähige die Priester, in der Person des Hauptes Christi („in persona Christi Capitis“) zu handeln.
Schick wollte sein Reformprogramm als Beitrag verstanden wissen, um die Kirche aus ihrer gegenwärtigen Krise zu führen. „Damit die Kirche das ist, was sie sein soll: der Ort, an dem über Gott
gesprochen wird und Jesus gegenwärtig ist.“ Die Gottesdienstbesucher in Allerheiligen rief der Geistliche auf: „Beten Sie darum, dass wir Priester haben, dass wir gute Priester haben.“ Schick
hatte sich in der Vergangenheit auch für die Einführung des Frauendiakonats in der katholischen Kirche eingesetzt. Dieses Thema sprach er bei seiner Fastenpredigt nicht an. Offen ließ er auch, ob
die angesprochenen Veränderungen für die gesamte Weltkirche oder nur für Deutschland gelten sollten, und auch, wie sich der Vatikan zu solcherlei Plänen stellen würde.
Seine Vorschläge skizzierte der emeritierte Erzbischof am Tag nach dem vorläufigen Abschluss des sogenannten Synodalen Wegs in Frankfurt am Main. Bei dem Gesprächsprozess in der deutschen
Kirche, der sich über dreieinhalb Jahre zog, hatten sich Bischöfe, Geistliche und Laien zuletzt auf weitreichende Reformen verständigt, beziehungsweise darauf, diese im Vatikan anzumahnen und in
die Weltkirche zu tragen. Darunter sind zum Beispiel die Öffnung des Diakonenamts für Frauen sowie Segnungsfeiern für gleichgeschlechtliche Paare.
Anteil der Missbrauchstäter
Mit Blick auf den Synodalen Weg und dessen Haltung zum Priestertum sprach Schick von einer „unglücklichen Abstimmung und Kommunikation“ bei einer der vorausgehenden Treffen. Dabei war der
Eindruck entstanden, das Priestertum solle ganz abgeschafft werden. „Es ging um die Form, nicht um die Substanz“, so der Erzbischof. Der Synodale Weg habe bestätigt, dass der Priesterdienst
unabdingbar zur Kirche gehöre. Anstoß für den Gesprächsprozess waren die kirchlichen Missbrauchsskandale.
Nach Schicks Worten sind sechs bis acht Prozent der Priester zu Tätern geworden. „Über 90 Prozent haben keine Missbrauchstaten begangen“, fügte er hinzu. „Auch das muss respektiert werden.“
Der Leitende Pfarrer des Seelsorgebereichs Nürnberg Nord-Ost, Rainer Gast, dankte dem emeritierten Erzbischof danach für die „mitunter richtungsweisenden Worte“. Er habe beim Zuhören förmlich die
„Last des Priesteramts“ gespürt, fügte Gast hinzu. Die Ansprache habe aber auch gutgetan.