Karlsruhe (epd) - Das gesetzliche Verbot von im Ausland geschlossenen Kinderehen ist einer höchstrichterlichen Entscheidung zufolge verfassungswidrig und unwirksam. Denn erkennt
Deutschland im Ausland geschlossene Kinderehen nicht an, muss der Gesetzgeber auch Regelungen über die Folgen der Unwirksamkeit, etwa über Unterhaltsansprüche, treffen, entschied das
Bundesverfassungsgericht in einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss. (AZ: 1 BvL 7/18) Zudem müsse die Möglichkeit bestehen, dass nach Erreichen der Volljährigkeit die betroffene Ehe
fortgeführt werden könne.
In dem Streitfall ging es um ein aus Syrien nach Deutschland geflohenes Ehepaar. Am 10. Februar 2015 hatte der damals 21-jährige Mann seine 14-jährige Cousine vor einem Scharia-Gericht in Syrien
geheiratet. Die Ehe wurde nach syrischem Recht wirksam geschlossen. Als das Paar im August 2015 nach Deutschland floh, wurde die 14-Jährige von ihrem Ehemann getrennt und in einer
Jugendhilfeeinrichtung untergebracht. Das Jugendamt wurde zum Vormund bestellt. Nach deutschem Recht seien im Ausland geschlossene Ehen mit unter 16-Jährigen zum Schutz der Kinder
unwirksam.
Der Ehemann wusste nicht, wo seine Frau war, und beantragte ihre Rückführung. Der Bundesgerichtshof hatte Zweifel, ob das Verbot von Auslandskinderehen verfassungsgemäß ist. Er legte das
Verfahren dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vor.
Die Verfassungsrichter entschieden, dass die gesetzlichen Regelungen mit der im Grundgesetz geschützten Ehefreiheit unvereinbar ist. Zwar dürfe der Gesetzgeber die Wirksamkeit von im Ausland
geschlossenen Kinderehen von einem Mindestalter der Beteiligten abhängig machen. Auch dürfe bei Unterschreiten dieses Alters zum Minderjährigenschutz und der Kindeswohlorientierung generell von
der Nichtigkeit der Ehe ausgegangen werden.
Allerdings bedürfe es dann auch Regelungen über die Folgen der Unwirksamkeit, etwa über Unterhaltsansprüche. Außerdem müsse die Möglichkeit bestehen, dass die Ehe nach Erreichen der
Volljährigkeit auch nach deutschem Recht wirksam sei. Solche Regelungen seien im geltenden Recht nicht enthalten. Das maßgebliche Gesetz verstoße damit unverhältnismäßig gegen die in der
Verfassung verankerte Ehefreiheit.
Das Verfassungsgericht räumte dem Gesetzgeber Zeit bis zum 30. Juni 2024 ein, eine verfassungsgemäße Neuregelung treffen. Bis dahin bleibt die beanstandete Vorschrift in Kraft.