Berlin (epd) - Religion soll nach Plänen von CDU und SPD in Berlin ordentliches Wahlpflichtfach ab Klasse sieben werden. Nach einem Bericht des „Tagesspiegel“ (Samstag) hat sich
darauf die CDU/SPD-Verhandlungsgruppe in den Koalitionsgesprächen verständigt. Zudem soll das Lehrpersonal für die Religionsfächer staatlich geprüft werden. Damit würde Berlin beim Thema
Religionsunterricht einen jahrzehntelangen Sonderweg verlassen. Kritik an den Plänen kommt von Grünen und Linken.
Der 2006 eingeführte verpflichtende Ethikunterricht ab Klasse sieben soll demnach bleiben. Dazu käme aber ein neuer Wahlpflichtbereich. Die Schüler könnten dann entscheiden, ob sie Religion,
Lebenskunde oder ein überkonfessionelles Angebot besuchen. Die Schulen könnten es aber auch als einstündigen Projektunterricht anbieten.
Bislang war Religion besonders zum Kummer der Kirchen an den Schulen kein ordentliches Unterrichtsfach, sondern wurde von den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften als freiwilliges Fach in
der Grundschule angeboten. Seit Jahrzehnten versuchten die Kirchen gemeinsam mit der CDU vergeblich diesen Zustand zu ändern. Sie scheiterten am Widerstand der SPD, aber auch von Grünen und
Linken. Ein Volksentscheid „Pro Reli“ im Jahr 2009 ging knapp verloren. Auch bei den Koalitionsverhandlungen mit der SPD im Jahr 2011 konnte sich die CDU als damaliger Juniorpartner nicht
durchsetzen.
Nachdem die Christdemokraten die Berliner Wiederholungswahl im Februar klar gewonnen haben, scheint nun der Weg für einen regulären Religionsunterricht in Berlin frei zu sein. Voraussetzung ist
allerdings, dass die SPD-Basis dem Koalitionsvertrag zustimmt.
Linke und Grüne lehnen die Pläne ab. Die Bildungsexpertin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Franziska Brychcy, sagte dem „Tagesspiegel“, die Einführung stelle „einen fatalen Rückschritt für
ein staatliches, zeitgemäßes Bildungsangebot dar“. Die künftige CDU/SPD-Koalition müsse sich auf massiven Gegenwind der überwiegend konfessionslosen Berliner Stadtgesellschaft einstellen.
Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Marianne Burkert-Eulitz, sagte der Zeitung, die CDU wolle die Entscheidung der Bürger von 2009, den Religionsunterricht nicht aufzuwerten,
zurückdrehen. Der Landesschülerausschuss warnte, ein Wahlpflichtfach Religion schaffe einen Mehrbedarf bei pädagogischem Personal, welcher in Zeiten des Lehrkräftemangels nur schwer zu decken
sein werde.
Das Interesse am bisherigen freiwilligen Religions- und Weltanschauungsunterricht in Berlin war insgesamt zuletzt weiter rückläufig. Laut Bildungsverwaltung sank die Zahl der Schülerinnen und
Schülern in den vergangenen fünf Jahren um etwa 5.500 auf 172.326 im laufenden Schuljahr 2022/2023.
Allein der evangelische Religionsunterricht verlor demnach in dem Zeitraum rund 8.000 Teilnehmer, der katholische etwa 3.000. Starke Zuwächse gab es dagegen beim humanistischen
Lebenskundeunterricht mit einem Plus von rund 7.000 Schülerinnen und Schülern. Mit 72.260 Schülern liegt Lebenskunde erstmals auf Platz eins vor dem evangelischen Religionsunterricht mit aktuell
69.125 Teilnehmern.