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Kunsthistoriker: Entscheidung über Triegels Altarbild politisch

Bonn (KNA) - Wie der Streit um den wieder errichteten Marienaltar im Naumburger Dom ausgeht, ist nach Ansicht des Kunsthistorikers Georg Habenicht letztlich eine politische Entscheidung. Aus wissenschaftlichen Gründen spreche nichts gegen eine Aufstellung, sagte Habenicht am Montag im Interview mit Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Bonn. Die Frage ist mit Blick auf den Status des Naumburger Doms als Unesco-Welterbe relevant.
Habenicht ist Autor eines Standardwerkes zu spätmittelalterlichen Altarbildern (Retabeln) und hat nun ein Buch zu dem „Naumburger Bilderstreit“ veröffentlicht. Es geht dabei um einen von Lucas Cranach dem Älteren 1520 vollendeten Altaraufsatz, der damals im Westchor des Domes aufgestellt und dessen Mittelteil 1541 im Zuge der Reformation zerstört wurde. Der Leipziger Maler Michael Triegel hatte unlängst den Mittelteil im Stil des 16. Jahrhunderts ergänzt; der Altar war im Juli 2022 wieder im Westchor aufgestellt worden.
Der Internationale Rat für Denkmalpflege (ICOMOS) fordert jedoch einen anderen Standort im Dom. ICOMOS berät die UN-Kulturorganisation Unesco, die die begehrte Auszeichnung als Weltkulturerbe verleiht. Die deutsche Sektion von ICOMOS sieht durch das Triegel-Altarbild die Sichtachsen auf die zwölf Stifterfiguren beeinträchtigt und stellt deswegen die Aberkennung des Status' als Weltkulturerbe in Aussicht.
Habenicht sagte indes, die Quellen zeigten eindeutig, dass der ursprüngliche Altar von Lucas Cranach noch höher als der von Michael Triegel geschaffene gewesen sei. Die von ICOMOS angemahnten „sensiblen Blickachsen“ wären bereits im Spätmittelalter durch hohe Vorhänge gestört worden, die nur an wenigen kirchlichen Feiertagen im Jahr den Blick auf die Stifterfiguren des Naumburger Doms freigegeben hätten. Wenn man den Zustand, wie er sich um 1248 zur Zeit des Dombaus mit den Stifterfiguren dargestellt hätte, zum ausschließlichen Argument mache, dann müsste man auch das Chorgestühl und ein Grabmal aus dem Westchor des Doms entfernen, so der Kunsthistoriker.
Derzeit wird das Triegel-Altarbild im Diözesanmuseum Paderborn ausgestellt, ab Mitte Juni dann im Augustinerchorherrenstift Klosterneuburg bei Wien. Weitere Stationen sind in Planung.