Das Leben hat besiegt den Tod!
Liebe Leserinnen und Leser,
mit diesen Worten eines bekannten und beliebten Osterliedes grüße ich Sie und Euch alle!
Wenn wir uns umschauen in der Natur, in den Gärten und auf den Fluren, dann sehen, spüren und riechen wir es deutlich: Der Frühling ist da – oder zumindest sehr nah. Unaufhaltsam schreitet im
Jahresverlauf der Wechsel vom Winter zum Frühjahr voran. Die länger werdenden Tage lassen erahnen, dass es bald wieder wärmer wird, dass wir bald wieder mehr Zeit im Freien verbringen und ohne
dicke Kleidung die Sonnenstrahlen genießen können. Und manch einer denkt wohl schon voraus und hofft, dass es nicht zu krass wird mit der Wärme, dass wir nicht aus dem Winter direkt in den Sommer
springen und nicht schon die nächste Hitzewelle auf uns zurollt.
Der Wechsel der Jahreszeit vom Winter zum Frühling, die Sehnsucht nach frischem Grün auf den Wiesen und an den Bäumen, nach den bunten Farben der Blumen, diese ganze frohe Stimmung begleitet –
zumindest in unseren Breiten – das Fest des Lebens, das wir in diesen Tagen feiern dürfen: Ostern, das höchste Fest des ganzen Kirchenjahres.
Schon während der vierzig Tage der Fastenzeit wird diese Sehnsucht betend ausgedrückt in einem Hymnus des Stundenbuches, in dem es heißt: „Zeichen schauen wir nun, Irdisches wird zum Bilde hier;
denn das kreisende Jahr lässt nach des Winters Frost und Nacht den Frühling die Erde für Ostern bereiten.“ Wir haben, im Unterschied zu den Ländern der Südhalbkugel , aber auch zu den Klimazonen,
in denen die Jahreszeiten ganz anders geprägt sind, das Glück, dass die Natur hier bei uns den innersten Kern des Osterfestes gleichsam untermalt und heraushebt: Das Leben hat besiegt den
Tod!
Was wir an Ostern feiern dürfen ist freilich mehr als ein Frühlingsfest, mehr als wir aus den Zeichen der Natur ablesen können, mehr als was der ständige Kreislauf des Jahres uns vermitteln kann.
Denn dieser unaufhaltsame Verlauf des Jahres, der sich gefühlt immer schneller vollzieht, macht uns ja zugleich auch deutlich, dass unser individuelles, persönliches Leben auf sein unweigerliches
irdisches Ende zuläuft.
Der Kreislauf des Lebens ist für das individuelle Leben kein Trost, sondern eine Zumutung. Es hilft mir in meiner Sehnsucht nach Leben überhaupt nicht weiter, wenn ich weiß, dass nach meinem Tod
wieder andere Menschen geboren werden und das Leben auf diese Weise weitergeht. Ich will leben – heute und in Zukunft. Insofern ist der frühlingshafte Aufbruch des Lebens in der Natur nur eine
sehr passende und willkommene Begleitung des Osterfestes, gleichsam österliches Deko-Material, das uns hilft, den Inhalt dieses Festes besser und tiefer zu begreifen.
Ostern – Fest des Lebens
Ostern ist das Fest des Lebens, aber alles Leben ist immer vom Tod bedroht. Diese Realität kann niemand ausblenden. Auch die österliche Feier tut dies nicht. Es gibt kein Ostern, ohne den
vorangehenden Karfreitag und Karsamstag. Und es ist auch nicht so, dass mit Ostern das Leiden und der Tod einfach vergessen werden. Wir verstecken die Kreuze nach Ostern nicht, sondern wir
enthüllen sie, tragen sie voran als Siegeszeichen. „Das Leben hat besiegt den Tod. Der Herr ist auferstanden.“
Die Auferstehung Jesu macht deutlich, dass Gott, der Freund des Lebens, das Leben jedes einzelnen Menschen retten und bewahren will, und zwar durch den Tod hindurch, nicht an ihm vorbei. Damit
bekommt das Leben jedes Einzelnen Ewigkeitswert und unendliche Bedeutung. Damit ist aber zugleich auch klar, dass durch den irdischen Tod keine Probleme dauerhaft gelöst werden können. Jedes
Unrecht, alle Ungerechtigkeit, unter der Menschen leiden, wird nicht durch deren Tod beseitigt und aus der Welt geschafft, sondern es steht da vor Gott, dem ewigen Richter.
Gott gibt das Leben und er duldet nicht die Finsternis des Todes, auch nicht die Todesschatten, die durch Unrecht und Sünde unser menschliches Zusammenleben verdunkeln. So wirkt Ostern schon in
unser Leben hier auf der Erde hinein. Die Auferstehung Jesu und das ewige Leben, das uns dadurch zugesagt ist, ist keine billige Vertröstung auf das Jenseits, sondern Motivation für die
Gegenwart.
In der Ostersequenz ist vom „Duell“ zwischen Tod und Leben die Rede, das sich in Jesu Sterben und Auferstehen abgespielt hat. In der deutschen Übersetzung heißt dies: „Tod und Leben, die kämpften
unbegreiflichen Zweikampf; des Lebens Fürst, der starb, herrscht nun lebend.“ Und dieses Duell setzt sich fort bis heute. Für Christen muss klar sein, wo sie stehen, nämlich auf der Seite des
Lebens!
Papst Johannes Paul II. sprach oft davon, dass die moderne Welt eine Kultur des Todes pflege, die gegen die christliche Kultur des Lebens stehe. Ich denke ein Blick in unsere gegenwärtigen großen
Probleme und Fragen bestätigt diese Einschätzung: Wir bekommen die Bilder von Tod und Zerstörung direkt ins Haus geliefert, nun schon seit über einem Jahr aus der Ukraine, aber natürlich auch
schon lange davor und parallel dazu aus den vielen Kriegs- und Krisengebieten dieser Erde, wo immer wieder einzelne meinen, sie könnten durch Krieg und Terror neue Fakten schaffen und ihre Macht
festigen. Sie rechnen nach der Logik des Todes, aber sie rechnen nicht mit dem Fürsten des Lebens.
Der Blick auf Erderwärmung und Klimawandel verunsichert viele, vor allem junge Menschen heute. Sie sorgen sich um die Zukunft des Lebens, der Kinder und Enkel, auf dieser Erde. Viele andere
lassen diese Fragen und die schon vorhandenen Erkenntnisse nicht an sich heran und leben weiter auf Kosten der Umwelt und der nachfolgenden Generationen. Ein Duell zwischen Tod und Leben spielt
sich ab, und wir sind mitten drin. Auf welcher Seite stehe ich?
Kultur des Todes
Eine Kultur des Todes etabliert sich immer mehr in unserer westlichen Gesellschaft. Die ganze Debatte um die gesetzliche Regelung der Suizidbeihilfe wird dargestellt als ein Kampf für die
Freiheit des einzelnen Menschen, über das Ende seines Lebens selbst zu bestimmen. Doch wir wissen genau: Sobald die entsprechenden neuen Regelungen einmal greifen, wird Druck entstehen auf die
alten und gesundheitlich eingeschränkten Menschen. Sie werden sich zunehmendem Rechtfertigungszwang ausgesetzt sehen, wie sie es verantworten können, den Verwandten oder der Gesellschaft weiter
so zur Last zu fallen. Da ist es aus mit der Freiheit und es siegt die Kultur des Todes. Wo garantieren dann Christinnen und Christen Räume der Freiheit, in denen sich Menschen für das Leben
entscheiden können?
In die gleiche Richtung, aber unter umgekehrten Vorzeichen geht die in unserem Land wieder neu angestoßene Debatte um die Abtreibung. Hier wird dem ungeborenen Kind jede Freiheit zur Entscheidung
und jedes Recht auf Leben bestritten. Der ungeborene Mensch wird als Subjekt ausgeblendet und es wird der Eindruck vermittelt, als würden sich durch gezielte Tötungen Probleme lösen lassen. Die
Kultur des Todes bekommt dadurch ungeahnten Auftrieb. Christen aber stehen für das Leben, das den Tod besiegt, für das Leben von Mutter und Kind.
In seiner Auferstehung durchbricht Christus den naturgegebenen Kreislauf von Geburt und Tod, von Werden und Vergehen. Er gibt unserem einmaligen Leben Bedeutung, selbst über den Tod hinaus. Das
entspricht unserem höchst persönlichen Wunsch nach unvergänglichem Leben. Damit verbunden ist aber auch ein hohes Maß an Verantwortung – für mein Leben und für das Leben überhaupt. Christinnen
und Christen müssen Anwälte des Lebens sein in ihrem Einsatz für die Schöpfung, für den Frieden und die Sicherheit, sowie für das Recht jedes Menschen auf Leben, angefangen bei seiner Zeugung bis
hin zum natürlichen Tod.
Ja, in der Auferstehung Jesu hat tatsächlich das Leben das Duell, den großen Zweikampf, für sich entschieden. Das Leben hat besiegt den Tod, und wir haben allen Grund und alle Berechtigung, die
verbliebenen Todesschatten aus unserer Welt und aus unserem Leben zu vertreiben. So kann sich die österliche Freude unter uns verbreiten und kann auch vielen traurigen und niedergeschlagenen
Menschen Halt und Hoffnung vermitteln.
Diese österliche Freude wünsche ich Ihnen und Euch allen von ganzem Herzen!
Ihr Weihbischof
Herwig Gössl