Köln/Erfurt (KNA) - Der Erfurter katholische Bischof Ulrich Neymeyr hat anlässlich des 80. Jahrestags des Aufstands im Warschauer Ghetto eine anhaltende Judenfeindlichkeit
kritisiert. „Leider ist es das Schicksal des jüdischen Volkes, dass es immer wieder solchen antisemitischen Ausschreitungen ausgesetzt war und ist. Obwohl es Menschen sind, die sich in die
Gesellschaft integrieren, die genauso Deutsche sind wie wir auch, sind sie immer wieder solchen Anfeindungen ausgesetzt. Das ist ein „ganz furchtbares Phänomen“, sagte Neymeyr dem Kölner
Internetportal domradio.de (Donnerstag). „Wir müssen solche Dinge immer wieder aufdecken und dagegen vorgehen.“
Den Aufstand im Warschauer Ghetto bezeichnete Neymeyr als etwas Außergewöhnliches: „Man darf nicht vergessen, dass auch innerhalb des Judentums kritisiert wurde und wird, dass die Juden wie
willige Opferlämmer sich hätten abführen und schlachten lassen.“ Dagegen stehe der Warschauer Aufstand als ein Aufstand der Würde des jüdischen Volkes. „Es ist schon äußerst beklemmend zu wissen,
dass dieser Aufstand der Würde eigentlich aussichtslos war, aber dennoch durchgeführt worden ist. Es ist ein Ort, an dem sich das Grauen des Holocausts in besonderer Weise zuspitzt“, so Neymeyr,
der die Unterkommission für religiöse Beziehungen zum Judentum der Deutschen Bischofskonferenz leitet.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte am Mittwoch bei der Gedenkfeier in der polnischen Hauptstadt um Vergebung für die deutschen Verbrechen gebeten. „Wir Deutsche wissen um unsere
Verantwortung“, so das Staatsoberhaupt. „Für uns Deutsche kennt die Verantwortung keinen Schlussstrich.“
Im November 1940 hatten die Deutschen das Ghetto in der polnischen Hauptstadt wegen angeblicher Seuchengefahr errichtet und Juden aus ganz Polen dort zusammengepfercht. Zu Spitzenzeiten waren 445.000 Menschen in dem Gebiet im Stadtzentrum eingeschlossen. Am 19. April 1943 erhoben sich jüdische Ghetto-Bewohner gegen die Übermacht von SS und Wehrmacht. Fast vier Wochen dauerte es, bis die SS den Aufstand endgültig niederschlug. Insgesamt forderten die Kämpfe mehr als 12.000 Todesopfer. Weitere über 30.000 Menschen wurden anschließend erschossen.