In der Zwischenzeit

München (KNA) – Seit langer Zeit tagte das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) am Wochenende wieder einmal in Bayern. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) machte ihm seine Aufwartung und schmeichelte den Delegierten in einem ausgedehnten Grußwort, was den eng getakteten Zeitplan sogleich unter Druck brachte. Wo aber war der Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx, der als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz das Reformprojekt Synodaler Weg gleichsam erfunden hatte? Und an dem sich Bischöfe und Laien seither abarbeiten?
Marx hatte anderweitig zu tun. Eine Rundfunkandacht galt es aufzunehmen, und ein Abstecher zu den Grabesrittern in Köln stand in seinem Terminkalender. Die ZdK-Verantwortlichen wollten aus der Abwesenheit des Kardinals keine große Nummer machen. Man fühle sich von Marx weiterhin unterstützt, gerade auch in Rom, hieß es.
Womöglich hat der Kardinal ja auch dieser Tage bei einer Audienz mit Papst Franziskus erneut ein Wort für die Mehrheit der Katholiken in Deutschland eingelegt, die angesichts des Reformstaus so langsam die Geduld verlieren. Womit aber auch der Papst allem Anschein nach so seine Schwierigkeiten hat. Und damit in Rom nicht allein ist.
Die ersehnten gemeinsamen Gesprächstermine des ZdK-Präsidiums mit der Spitze der Deutschen Bischofskonferenz in Rom hat es bisher nicht gegeben. Aus römischer Perspektive dürfte der Grund darin liegen, dass man eine damit verbundene offizielle Anerkennung des deutschen Wegs vermeiden will. Allerdings war ZdK-Vizepräsident Thomas Söding zwischenzeitlich in der Ewigen Stadt und hat dort nicht nur bei einem Theologenkongress gesprochen, sondern auch in mehreren Kurienbehörden und mit Kardinal Walter Kasper. Kasper hat nach wie vor das Ohr des Papstes, sich aber mehrfach auch öffentlich sehr kritisch zum deutschen Reformdialog zu Wort gemeldet.
Söding warb denn auch vor der Vollversammlung dafür, die kritischen Stimmen aus Rom, insbesondere das Schreiben dreier Kurienkardinäle vom Januar, genau zu lesen, und sich argumentativ damit auseinanderzusetzen. Insbesondere mit dem Vorwurf, die Deutschen wollten das Amt der Bischöfe durch Einbindung in neue Räte schwächen.
Das ZdK befindet sich in vielerlei Hinsicht in einer Zwischenzeit. Der Synodale Weg ist formal abgeschlossen, die Fortsetzung des Prozesses gemeinsamer Beratung und Entscheidung mit den Bischöfen, zunächst in Gestalt eines Synodalen Ausschusses, ist noch mit Unwägbarkeiten behaftet, etwa bei der Finanzierung. Eigentlich sollte der Ständige Rat der Bischofskonferenz dazu im April eine Entscheidung fällen; ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp rechnet nun im Juni damit. Es werde aber in jedem Fall im November losgehen, daran ließ das ZdK keinen Zweifel. Selbst dann, wenn nicht alle Bischöfe mitmachen wollten.
Selbstkritik
Selbstkritische Töne waren zu hören, als es um den Beitrag des ZdK zum Thema Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der Kirche ging. Mehrere Rednerinnen und Redner räumten ein, dass das Komitee dies bis 2020 nicht als seine Aufgabe betrachtet und damit nicht auf dem Schirm gehabt habe. Eine daraufhin eingesetzte Arbeitsgruppe unter Beteiligung von Betroffenen stellte in München ihren Bericht vor. Wie das Thema weiter vorangetrieben wird, ist indes noch unklar, auch wenn betont wurde, dass es größter Aufmerksamkeit bedürfe.
In der Aussprache wurden auch Signale der inhaltlichen und organisatorischen Überforderung laut. Die Stimme eines Betroffenen „aus dem Dunkelfeld“, wie er selbst in seiner Wortmeldung formulierte, machte deutlich, dass das ZdK trotz aller inzwischen erfolgten Bemühungen noch kein Ort ist, an dem sich jeder frei zu sprechen traut. Und im Synodalen Ausschuss ist die Stimme der Betroffenen auch noch nicht strukturell verankert, wie Johannes Norpoth vom Betroffenenbeirat der Bischofskonferenz monierte.
Bis 2025 will sich das ZdK eine neue Satzung und ein neues Leitbild geben. Womöglich auch einen neuen Namen, wie zu erfahren war. Zentralkomitee, das klinge doch sehr verstaubt. Im Herbst, bei der nächsten Vollversammlung, will man in Berlin „175 Jahre organisierte katholische Zivilgesellschaft“ feiern. Im deutschen Revolutionsjahr 1848 hatte in Mainz der erste Katholikentag stattgefunden. „Dachverband der organisierten katholischen Zivilgesellschaft“ – das klingt indes mehr nach Arbeitstitel denn nach Lösung für die Namensfrage. Vorschläge werden jederzeit entgegengenommen, hieß es zum Abschluss in München.