Nürnberg (KNA) - Aufrufe zu mehr Wertschätzung für die Demokratie in Zeiten wachsenden Populismus' haben die Diskussionen des Deutschen Evangelischen Kirchentags in Nürnberg am
Donnerstag geprägt. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, plädierte für eine „Kultur der Freude“ an der Demokratie. Denn diese biete die Möglichkeit, sich zu begegnen und
auszutauschen, voneinander zu lernen sowie die eigene Meinung zu vertreten. Diskurs werde oft als Last empfunden. Dies müsse sich wieder ändern. Denn solche demokratischen Prozesse böten die
Möglichkeit zum Mitgestalten.
Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt hob hervor, dass der Streit um die Sache, um die beste Lösung das „Herzstück der Demokratie“ sei. „Auch wenn es mir manchmal, vor allem spätabends,
auch auf den Senkel geht.“ Abzulehnen sei dabei aber, „wenn faktenfreie Meinungen zu Fakten erklärt werden“. Hinsichtlich politischer Entscheidungen plädierte sie dafür, nicht nur an die
Bevölkerung in den Städten, sondern auch an die Dörfer zu denken.
Dort lebten immer noch die meisten Menschen in Deutschland.
Ähnlich äußerte sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier: „Ich wünsche mir, dass wir in unseren Debatten stärker die Perspektive von Menschen aus dem ländlichen Raum hören“, sagte er bei
einer Bibelarbeit. Sehr deutlich warnte das Staatsoberhaupt davor, Menschen vom Land als hinterwäldlerisch abzutun. „Das ist weit mehr als eine Stilfrage“, betonte Steinmeier. „Denn es ist der
Anspruch der Demokratie, Raum zu bieten für die Vielfalt. Wenn größere gesellschaftliche Gruppen sich nicht mehr repräsentiert fühlen, dann bröckelt die Demokratie.“
Die Düsseldorfer Rechtswissenschaftlerin Sophie Schönberger bezeichnete es als „Kerngeschäft des Populismus“, den Anderen nicht auszuhalten. Doch wenn andere Meinungen und Interessen nicht als
legitim anerkannt würden, dann seien auch Mehrheitsentscheidung davon bedroht. Deutlich geworden sei dies, so Schöneberger, bei Donald Trump, der die verlorene US-Präsidentschaftswahl nicht habe
anerkennen wollen.
Der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm äußerte sich auf einem Podium zum Thema „Massenphänomen Flucht“ besorgt über die Pläne zur Reform des europäischen Asylsystems. „Wir dürfen
bei allen Entscheidungen die Menschenwürde nie aus dem Blick verlieren“, so der Bischof. Es sei wichtig, sich immer wieder die vielen konkreten menschlichen Schicksale vor Augen zu halten,
gleichzeitig aber auch das ernst zu nehmen, was Landräte und Bürgermeister sagten.
Der am Mittwochabend eröffnete Kirchentag dauert noch bis Sonntag. Es sind rund 2.000 Veranstaltungen geplant. Etwa 60.000 Menschen haben sich nach Angaben der Veranstalter zu dem christlichen
Großevent angemeldet. Zu den Eröffnungsgottesdiensten kamen den Angaben zufolge insgesamt 30.000 Menschen, am anschließenden Abend der Begegnung in der Nürnberger Innenstadt nahmen 130.000
Menschen teil.