Stuttgart (KNA) – Der langjährige UN-Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit, Heiner Bielefeldt, kritisiert die Koranverbrennungen in Schweden und Dänemark. „Öffentlich inszenierte
Koranverbrennungen sind widerliche Akte der Provokation“, sagte Bielefeldt am Mittwoch in Stuttgart auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Solche Akte stützten sich zwar auf die Meinungsfreiheit, die in freiheitlichen Rechtsstaaten aus guten Gründen weit ausgelegt werde. Ob sich Koranverbrennungen mit strafrechtlichen Sanktionen
bekämpfen ließen, sei deshalb umstritten. „Ich würde dem Strafrecht jedenfalls keine zentrale Rolle für den Umgang mit solchen Provokationen zuerkennen“, sagte Bielefeldt.
Umso wichtiger sei „eine klare und breit geteilte politische Verurteilung“. Gefragt seien hier nicht nur Vertreterinnen und Vertreter von Regierung und Parlament, sondern auch die
Zivilgesellschaft in ihrer Breite, „darunter nicht zuletzt die christlichen Kirchen sowie Organisationen, die sich im interreligiösen Dialog engagieren“. Es gelte, „Muslimen in der aktuellen
angespannten Situation immer wieder glaubhaft zu signalisieren, dass sie in der Abscheu vor solchen sinnlosen Akten der Zerstörung nicht allein sind“, sagte Bielefeldt.
Von den Medien wünsche er sich, „dass sie der Versuchung widerstehen, Koranverbrennungen direkt ins Bild zu setzen“. Natürlich müssten die Medien ihrer Berichtspflicht nachkommen. Dies sollte
aber in einer Weise geschehen, „die die Provokation nicht unnötig verstärkt“. In der Berichterstattung dürfe „die Gegenseite nicht fehlen: nämlich der öffentliche Protest gegen Inszenierungen der
Religionsverachtung“, sagte Bielefeldt. Er war von 2010 bis 2016 UN-Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit. Seit 2009 hat der promovierte Philosoph den Lehrstuhl für
Menschenrechte und Menschenrechtspolitik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen inne.
Am Dienstagabend sprach Bielefeldt bei einer Online-Veranstaltung der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart zum Thema „Brückenbau durch interreligiösen Dialog?“ Dabei mahnte er zu
sorgfältiger Wortwahl. „Es ist zum Beispiel schon ein Unterschied, ob man vom ,Dialog der Religionen' oder vom ,interreligiösem Dialog' redet“, sagte Bielefeldt. „Interreligiöser Dialog“ klinge
weitaus offener und schaffe Raum, auch über „uneindeutige Verhältnisse“ innerhalb der Religionen zu sprechen.