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Hier leben viele Katholiken auf engem Raum

Gesichter des Seelsorgebereichs: Pater Leslaw Ogryzek (vl), SBR-Vorsitzende Jutta Ertl, Leitender Pfarrer Rainer Gast und Verwaltungsleiter Maximilian Dollinger vor der Allerheiligenkirche im Nürnberger Stadtteil Schoppershof. Foto: Bernd Buchner
Gesichter des Seelsorgebereichs: Pater Leslaw Ogryzek (vl), SBR-Vorsitzende Jutta Ertl, Leitender Pfarrer Rainer Gast und Verwaltungsleiter Maximilian Dollinger vor der Allerheiligenkirche im Nürnberger Stadtteil Schoppershof. Foto: Bernd Buchner

Nürnberg (buc) – Wie auf der Bistumskarte gut erkennen kann, zählt Nürnberg Nord-Ost rein flächenmäßig zu den kleineren Seelsorgebereichen in der Erzdiözese. Doch von der Gläubigenzahl her ist er der größte: Knapp 31 000 Kirchenmitglieder leben im Gebiet zwischen Herz Jesu in der Nürnberger Südstadt und St. Margaretha in Heroldsberg vor den Toren der Frankenmetropole. Die Migration, ob aus der Oberpfalz, Osteuropa oder der Türkei, hat in der Nürnberger Geschichte immer eine große Rolle gespielt, und sie prägt auch die Entwicklung der katholischen Kirche in der Stadt ganz entscheidend. Viele Gläubige stammen aus Spanien oder Lateinamerika, aus Italien, Polen, Portugal oder Kroatien.

 

Seit vielen Jahren verbunden

 

Bei der jüngsten Strukturreform im Erzbistum, dessen Ergebnis die jetzigen 35 Seelsorgebereiche sind, wurden im Nürnberger Osten mehrere bestehende Pfarreienverbünde zusammengefügt. Allerheiligen und St. Josef kooperierten bereits seit vielen Jahren, bilden heute eine gemeinsame Pfarrei, ebenso wie St. Stefan im Stadtteil Zerzabelshof und St. Kunigund in der Südstadt. Dort, an der Scharrerstraße, gibt es übrigens mit dem jüngst renovierten Pfarrzentrum, dem Haus der Comboni-Missionare sowie dem benachbarten Haus der Paulusschwestern ein regelrechtes katholisches Quartier mit einem wunderbaren Garten mittendrin. Auch weiter im Osten arbeiten die katholischen Pfarreien, St. Karl Borromäus Mögeldorf und St. Otto in Laufamholz, bereits seit vielen Jahren eng zusammen, ebenso wie St. Georg in Nürnberg-Ziegelstein und die in Heroldsberg gelegenen Pfarrei St. Margaretha.

 

Am deutlichsten spiegeln sich die gesellschaftlichen Veränderungen der vergangenen beiden Jahrhunderte vielleicht in der Pfarrei Herz Jesu, die ebenfalls zum Seelsorgebereich gehört. In der Nürnberger Südstadt hatten sich an der Wende zum 19. Jahrhundert große Industriebetriebe wie Siemens, Schuckert oder MAN angesiedelt. Arbeitskräfte wurden benötigt, die Bevölkerungszahl stieg sprunghaft an, vor allem aus der katholischen Oberpfalz strömten unzählige Menschen in die fränkische Großstadt. Die Herz-Jesu-Kirche wurde 1905 geweiht, zehn Jahre später gründeten Niederbronner Schwestern, nicht zufällig vom Mutterhaus in Neumarkt in der Oberpfalz aus, in der Kirchengemeinde eine Schwesternstation, die bis zum Jahr 2010 bestand.

 

„Sehr unterschiedlich“ seien die im Seelsorgebereich lebenden Katholiken, sagt Leitender Pfarrer Rainer Gast. Schon in seiner eigenen Pfarrei Allerheiligen reicht das Spektrum von den Genossenschaftswohnungen am Nordostbahnhof, wo die Menschen materiell nicht ganz so gut ausgestattet sind, bis nach Erlenstegen, wo bekanntlich die reichsten Nürnberger wohnen. Auch in Heroldsberg vor den Toren der Stadt sind eher die Betuchten zu Hause, während die Situation in der Südstadt eine ganz andere ist. In St. Karl Borromäus hat es Resurrektionistenpater Leslaw Ogryzek mit vielen gemischtkonfessionellen Paaren zu tun, viele eher konservativ gestimmt, eine Gemeinde weiter in St. Otto sind viele junge Familien zu Hause. „Beim Kindergottesdienst ist da die Kirche voll“, erzählt der Geistliche.

 

Die Anfänge des Seelsorgebereichs fielen mit der Corona-Pandemie zusammen, entsprechend schwierig war auch der Auftakt im Seelsorgebereichsrat, in dem katholische Laien und Hauptamtliche gemeinsam über die Geschicke der Kirche im Nürnberger Nordosten beraten. „Es war gar nicht so einfach, Vertreter aus den Pfarrgemeinderäten zu finden“, erzählt die Co-Vorsitzende des Gremiums, Jutta Ertl. Inzwischen ist der Seelsorgebereichsrat fest etabliert, hat am Pastoralkonzept mitgewirkt und sich an der Entwicklung eines gemeinsamen Logos beteiligt. Die Sitzungen finden nach Möglichkeit jeweils in einer anderen Pfarrei statt, verbunden mit einer Kirchenführung, um Austausch und Kennenlernen zu stärken.

 

„Wir überlegen, wie das Zusammenwachsen noch besser gestaltet werden kann“, betont Jutta Ertl. Sie verhehlt nicht, dass es auch Widerstände und andere Meinungen gibt. Der Gedanke eines gemeinsamen Gottesdienstes im Seelsorgebereich sei erst einmal „nach hinten geschoben“ worden, berichtet sie. Auch dass die Geistlichen rotierend in den Gemeinden predigen, ist bisher nur eine Idee. „Es ist nicht so, dass das der große Wunsch der Mehrheit ist“, so die Vorsitzende des Seelsorgebereichsrats.

 

Ehrenamtliche zu gewinnen und für eine dauerhafte Mitarbeit in den Pfarreien zu begeistern, halten die Verantwortlichen im Seelsorgebereich für absolut notwendig. „Uns war es wichtig, einen relativ großen Pfarrgemeinderat zusammenzubekommen“, erläutert Jutta Ertl, die selbst aus der Pfarrei Allerheiligen stammt. Freiwillige Helfende ließen sich nur durch persönliche Kontakte gewinnen, sagt Pfarrer Ogryzek. „Ich habe gebettelt und Gott sei Dank gute Leute gefunden.“ Allein in St. Karl Borromäus gebe es rund 100 Personen, die sich ehrenamtlich engagierten.

 

„Den Menschen nicht egal“

 

Was sind die wichtigsten pastoralen Herausforderungen im Seelsorgebereich Nürnberg Nord-Ost? Über die regelmäßigen Gottesdienste hinaus werde die seelsorgliche „Grundversorgung“ etwa bei Beerdigungen oder Taufen nach wie vor stark angefragt, berichtet Rainer Gast. „Es ist den Menschen nicht egal, wer da für sie da ist“, so seine Erfahrung. Dem Leitenden Pfarrer ist es wichtig, den Gläubigen auf Augenhöhe und mit Empathie zu begegnen: „Wenn Menschen in Krisensituationen begleitet werden möchten, ist es für mich selbstverständlich, dass wir da eine hohe Qualität liefern.“

 

In jeder Pfarrei gibt es mindestens einen Kindergarten, in Herz Jesu sogar zwei. Der Kontakt zu den Eltern und ihre Einbindung in die Gemeindearbeit ist für die Verantwortlichen vor Ort elementar. „Diese Kontakte sind für uns sehr wichtig“, sagt Ertl. In Allerheiligen werden Pfarrfest und Kindergartenfest immer gemeinsam veranstaltet. Der Anteil der christlichen Kinder in den Einrichtungen beträgt mitunter nur ein Fünftel oder weniger. „Je weiter du in den Süden kommst, desto mehr Nichtchristen hast du in den Kindergärten“, so Gast.

 

Das bringt selbstverständlich Konfliktpotenzial mit sich, etwa mit Eltern, die christliche Gebete ablehnen oder für ihre Kinder Essen nach islamischen Speisevorschriften wünschen. Pater Leslaw Ogryzek musste jüngst einen Jungen aus einem Kindergarten verweisen, da er nicht mit den anderen Kindern spielen wollte und versucht habe zu missionieren. Mit Auseinandersetzungen wie diesen müsse man als Kindergartenträger umgehen, so Gast. „Wir haben einen Auftrag für die Stadt, aber auf der anderen Seite sind wir ein christlicher Träger und dürfen gewisse Anforderungen stellen. Wir wollen gut miteinander leben, von beiden Seiten.“

 

Die ökumenische Zusammenarbeit funktioniert im Seelsorgebereich reibungslos und freundschaftlich. Es gibt gemeinsame Gottesdienste und Gemeindefeste, auch bei der Sternsingeraktion wirkt man zusammen. Nächstes Jahr, wenn die Allerheiligenkirche renoviert wird, wird die Pfarrei ihre Gottesdienste in der nahegelegenen evangelischen Lukaskirche abhalten. Man sei dort herzlich willkommen, sagt Rainer Gast. Die Gastfreundschaft „geht ja hin bis zum Kommunionempfang. Mehr brauche ich dazu nicht zu sagen.“