Hamburg (KNA) – Die Beziehungen zwischen der katholischen Kirche in Deutschland und der römischen Kurie sind aus Sicht der ehemaligen deutschen Vatikanbotschafterin Annette Schavan, derzeit "verkorkst".
"In Deutschland meinen einige, niemand könne so toll Theologie wie sie. Und in Rom meinen einige, die Deutschen müsse man mal klein machen", sagte Schavan im Interview der Wochenzeitung "Die Zeit" (Donnerstag). Gleichzeitig rät sie zum offenen Gespräch mit Papst Franziskus: "Er mag keinen ehrerbietigen Small Talk und schätzt Ehrlichkeit."
Zwar lägen viele Ziele des deutschen Reformprozesses Synodaler Weg und der von Franziskus einberufenen Weltsynode nah beieinander, so Schavan weiter. Doch sei dem Papst aus Argentinien die bürokratische Arbeitsweise in Deutschlands Kirche, die "wie ein Ministerium" funktioniere, fremd.
Zudem stehen aus Sicht der ehemaligen Botschafterin Deutsche wie Europäer allgemein weniger im Zentrum des päpstlichen Denkens. Gerade durch seinen Einsatz in der Flüchtlingspolitik demonstriere Franziskus, dass er zu einer globaleren Perspektive der Kirche wolle, als seine Vorgänger sie vertreten hatten. "Wir müssen uns damit abfinden, dass dieser Papst nicht tut, was wir erwarten, sondern eigene Schwerpunkte setzt", betonte Schavan. So fordere er die europäischen Staaten nachdrücklich zu einer gemeinsamen Flüchtlingspolitik auf. "Das macht manchen Angst. Sie haben den Eindruck, Franziskus schickt ihnen die Flüchtlinge."
Für die am Mittwoch in Rom gestartete Sitzungsperiode der Weltsynode sagt die Ex-Diplomatin "noch härtere Konflikte" voraus. "Der Kampf wird sich abspielen zwischen drei Gruppen. Denen, die eine Erneuerung der Kirchenverfassung wollen, denen, die Erneuerung innerhalb der bestehenden Ordnung wollen, und denen, die jede Neuerung als Angriff auf die Kirche verstehen."
Schavan saß für die CDU lange im Bundestag. Von 2005 bis 2013 war sie Bundesbildungsministerin, von 2014 bis 2018 deutsche Botschafterin im Vatikan. Die 68-Jährige hat unter anderem katholische Theologie studiert.