Bamberg (KNA) – Ein Fünfeck aus Glas, eingelassen in eine Granitplatte, verweist am Bamberger Domplatz auf einen speziellen Ort: Hier befand sich einst der "Nabel der Welt". Wo Kaiser Heinrich II. vor mehr als 1.000 Jahren am liebsten residierte, gründete er ein Bistum und markierte damit das Zentrum seines Reiches. Bamberg wurde daraufhin als "Haupt des Erdkreises" gerühmt. Dass der Bischofsstuhl dort nun schon fast zwölf Monate verwaist ist, wäre im Mittelalter undenkbar gewesen.
Doch die Zeiten haben sich geändert. Bamberg ist aus weltkirchlicher Perspektive keine Metropole mehr, auch wenn sich in seinem Dom das einzige Papstgrab nördlich der Alpen befindet. Der Bischof wird hier, anders als in vielen anderen deutschen Diözesen, nicht vom Domkapitel gewählt, sondern seit 1924 vom Papst frei ernannt. Und das kann dauern.
Zum 1. November 2022 nahm Franziskus den Amtsverzicht von Erzbischof Ludwig Schick an, zwei Jahre bevor der damals 73-Jährige die Altersgrenze erreichte. Dreimal habe er dem Papst seine Gründe darlegen müssen, bis dieser seinem Gesuch stattgegeben habe, erzählte Schick im Anschluss.
Was auffällt: Vorzeitige Bischofsrücktritte haben in Bamberg mittlerweile Tradition. Schicks Vorgänger Karl Braun hörte 2001 auf, da war er gerade mal 70. Und vor ihm war Erzbischof Elmar-Maria Kredel 1994 mit 72 Jahren aus dem Amt geschieden. Beide hatten Gesundheitsgründe geltend machen können. Das war beim passionierten Ausdauersportler Schick nicht der Fall, der immerhin 20 Jahre durchgehalten hat.
Seither wird die Diözese mit ihren rund 600.000 Katholikinnen und Katholiken kommissarisch von Weihbischof Herwig Gössl (56) verwaltet. Kompetent und geräuschlos, wie ihm bescheinigt wird. Gössl lehnt sich kirchenpolitisch nicht aus dem Fenster und drängt sich auch sonst nicht in den Vordergrund. Stets lässt er durchblicken, dass er ja nur ein Mann des Übergangs sei.
Dem Range nach wäre der gebürtige Münchner die erste Wahl innerhalb der Bamberger Priesterschaft. Wer sich in der Erzdiözese umhört, gewinnt jedoch den Eindruck, eher nicht mit einer Hausberufung gerechnet wird. Auch Schick (Fulda) und Braun (Eichstätt) kamen zuletzt von auswärts.
Nach den in Bayern geltenden Regeln für Bischofsernennungen ist das Mitspracherecht der Ortskirche ohnehin begrenzt. Das Domkapitel hat ohne Personaldebatte über mehrere Kandidaten einzeln abgestimmt. Die Liste ging nach Rom - diskret, aber völlig unverbindlich. Von breiterer Mitbestimmung, wie sie das deutsche Reformprojekt Synodaler Weg jüngst beschloss, ist das Verfahren weit weg.
Natürlich kursieren eine Reihe von Namen. Häufiger fallen die anderer bayerischer Bischöfe, darunter Stefan Oster (Passau) und Franz Jung (Würzburg). Für beide wäre es eine Beförderung zum Erzbischof und stellvertretenden Vorsitzenden der Freisinger Bischofskonferenz. "Wir sind des Spekulierens müde", sagt indes Bistumssprecher Harry Luck. "Uns bleibt nur abzuwarten und uns gegebenenfalls überraschen zu lassen."
Warum in diesen Tagen die Spannung steigt, hat ein bisschen mit Statistik zu tun. Vielleicht auch mit Zahlenmystik. Die letzten beiden bischofslosen Zeiten in Bamberg dauerten bis zur Bekanntgabe des Neuen fast genau ein Jahr. Dieser Zeitpunkt rückt in der aktuellen Vakanz immer näher.
Für Verzögerungen könnte diesmal auch die bayerische Landespolitik mitverantwortlich sein. Schließlich muss die Staatsregierung ihr Placet zu dem Auserkorenen geben. Nun sind aber wegen der Landtagswahl seit Mitte September die Kabinettssitzungen ausgesetzt. Muss womöglich die Ausrufung des neuen Bamberger Erzbischofs auf sich warten lassen, bis die neue Regierung steht?
Die Katholikinnen und Katholiken in Mittel- und Oberfranken mag eines trösten: Sie sind in Deutschland nicht allein. Die Glaubensgeschwister in Paderborn und Osnabrück warten ebenso auf neue Hirten. Im Dezember kommt voraussichtlich ein viertes Bistum hinzu, Rottenburg-Stuttgart. Und auch in Köln lässt sich der Papst mit seiner Antwort auf Kardinal Rainer Maria Woelkis Rücktrittsgesuch weiter Zeit.
Christoph Renzikowski (KNA)