Nürnberg (tt) – Wer auf der Straße lebt, kann nicht mal schnell in einem Café das Smartphone laden, hat auch keinen Computer oder einen Drucker. Der Smart Kiosk in der Nürnberger Innenstadt macht Wohnungslosen nun den Alltag ein Stück leichter.
„Ich kenne das alles: kein Guthaben, kein Strom, keine Internetverbindung.“ So bringt der junge Erwachsene Eric seine Erfahrungen als ehemaliger Wohnungsloser in Nürnberg auf den Punkt. „Handy aufladen war damals ein großes Drama.“ Nun hat er vom neuen Smart Kiosk in der Fußgängerzone gehört und schaut vorbei.
Der Smart Kiosk ist in eine umgebaute Bratwurstbude eingezogen und wird vom Don Bosco Jugendwerk Nürnberg betrieben. Außen findet sich ein großer Schrank als Ladestation mit absperrbaren Fächern für sieben Handys. Dort kann man täglich von 6 bis 20 Uhr laden. Außerdem gibt es um den Kiosk herum kostenlosen WLAN-Zugang. Ziel des Jugendwerks: eine digitale Teilhabe für wohnungslose junge Menschen zu ermöglichen.
Ist das Häuschen geöffnet, helfen eine Sozialpädagogin und ein Peer-Berater ratsuchenden Menschen weiter. Das kann einfach Hilfe im Umgang mit digitalen Angeboten sein. Dafür stellt der Smart Kiosk kostenlos einen PC mit Scanner, Fax und Drucker bereit. „Ich finde es megakorrekt, den PC nutzen zu können“, sagt Eric.
Don Bosco habe ihm geholfen, aus seiner Wohnungslosigkeit herauszukommen und eine Ausbildung erfolgreich abzuschließen. „Jetzt bin ich arbeitslos und komme hierher, um am PC eine neue Arbeit zu suchen.“ Nebenbei trinkt er am Smart Kiosk gern einen Kaffee und klärt mit dem Don Bosco-Team Probleme.
Jahre lange Erfahrung
Die Idee für dieses Angebot ist kein Zufall. Das Jugendwerk arbeitet seit Jahren mit „entkoppelten jungen Menschen, die aus den Hilfesystemen rausfallen“, berichtet Stefan Müller, Leiter des Don-Bosco Jugendwerks. Diese sind weder für Sozialhilfe noch Leistungen vom Jobcenter erreichbar.
Vor diesem Hintergrund ist ein enger Kontakt mit dem Fachgebiet Soziale Arbeit der TH Nürnberg entstanden. Am Ende von wissenschaftlichen Untersuchungen mit wohnungslosen Menschen stand das Konzept für den Smart Kiosk. Das Projekt versteht sich als digitaler Stützpunkt und ergänzt das herkömmliche Angebot der Wohnungslosen- und Obdachlosenhilfe. „Die Untersuchungen zeigen, dass jeder zwar ein Smartphone hat, Wohnungslose aber oft von Strom, WLAN oder Hardware abgeschnitten sind“, sagt Müller.
Durch die zentrale Lage des Kiosk sei eine „bisher nie dagewesene“ niederschwellige Kontaktaufnahme möglich. So lässt sich auch ohne Angst vor Stigmatisierung etwa um Hilfe beim Ausfüllen von Anträgen nachfragen. Das verbessere die Chancen bei den digitalen Angeboten der Stadt und fördere die Autonomie der Klienten.
Neben einer digitalen Teilhabe gehört zu den Zielen auch eine Beratung, die sich nicht nur um Behördenanträge oder Jobsuche, sondern auch um Freizeitgestaltung dreht. Don Bosco hat durch seine Arbeit ein breites Netzwerk für spezielle Hilfen für entkoppelte Menschen geknüpft. Auf diese Angebote verweist die Smart Kiosk-Beratung als weiterführende Hilfen. Es dürfe nicht wieder vorkommen, dass eine junge Obdachlose im Winter allein ihr Kind im Nürnberger Burggraben zur Welt bringe, erinnert Müller an einen tragischen Fall.
Der Smart Kiosk öffnet zunächst an fünf Tagen von 9 Uhr bis 15 Uhr, um Erfahrungen zu sammeln und die Nachfrage einzuschätzen. Bei den Öffnungszeiten habe man sich an der einen Steinwurf entfernten Notschlafstelle SleepIn orientiert, berichtet Peer-Berater Raphael Klein. Denn um 9 Uhr müssen die Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Einrichtung verlassen. Die hätten dann zwar geladene Handys, aber oftmals Kontakt- oder Beratungsbedarf. Klein selbst war zwar nicht wohnungslos, dafür aber drogenabhängig und ist von dem Projekt überzeugt. „Ich weiß, wie sich diese Scheiße anfühlt.“ Sein Vorteil im Umgang mit den Klienten: „Ich spreche nicht politisch korrekt wie ein Sozialpädagoge“.
Deutlich komplizierter
Das Konzept des Smart Kiosk ist aus dem 2019 gestarteten Forschungsprojekt „Smart Inklusion für Wohnungslose“ (SIWo) von Soziologieprofessor Frank Sowa von der TH Nürnberg hervorgegangen. „Wir haben festgestellt, dass die Smartphone-Nutzung unter Wohnungslosen genauso ist wie in der Allgemeinbevölkerung. Es gibt kein digital Gap“, sagt er. Allerdings sei die Suche nach einer öffentlich zugänglichen Lademöglichkeit für diese Menschen deutlich komplizierter. „Sie fahren ohne Fahrschein schwarz im Bus, um ihr Handy aufzuladen oder ins Internet zu kommen“, weiß er aus seiner Studie. Manchmal würden sie auch aus Supermärkten mit Ladestationen vertrieben. „Das macht diese Lademöglichkeit für alle – Wohnungslose und Nicht-Wohnungslose – im öffentlichen Raum so wichtig.“