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Berufen, zur Zivilisation der Liebe beizutragen

Ludwig Schick, langjähriger Erzbischof von Bamberg (Foto links, Mitte) nimmt die Medaille „Pro meritis caritas norimbergae“ entgegen. Ihm gratulieren der Nürnberger Caritas-Präsident Bernhard Wacker und Direktor Michael Schwarz. Foto: Buchner
Ludwig Schick, langjähriger Erzbischof von Bamberg (Foto links, Mitte) nimmt die Medaille „Pro meritis caritas norimbergae“ entgegen. Ihm gratulieren der Nürnberger Caritas-Präsident Bernhard Wacker und Direktor Michael Schwarz. Foto: Buchner

Nürnberg (buc) – Von einer „Zivilisation der Liebe“ hätten die Päpste seit Paul VI. mit Blick auf den sozialen Auftrag der Kirche gesprochen, sagt der emeritierte Erzbischof Ludwig Schick in einem Gottesdienst zum Jahresempfang des Nürnberger Caritasverbands. Besonders die Caritas sei berufen, zu dieser Zivilisation der Liebe beizutragen, ergänzt Schick. Er äußert einen Wunsch, der sich als Vermächtnis seines über zwei Jahrzehnte währenden Bischofsdienstes verstehen lässt Kirche und Staat mögen der Caritas stets die „nötige Anhörung, Wertschätzung und materielle Ausstattung“ gewähren.

 

Der Theologe warnt mit Blick auf das Lukasevangelium vor kirchlicher Selbstsicherheit und betont die gesellschaftliche und politische Funktion der Caritas. Diese müsse der Gesellschaft zeigen, wie Gleichberechtigung, Einheit und Teilhabe möglich seien, so Schick. In Anlehnung an eine Passage aus dem Galaterbrief des Apostels Paulus fügt er hinzu: „Wenn der Glaube nicht in der Liebe wirksam wird, müssen wir daran zweifeln, dass der Glaube überhaupt da ist.“

 

Bei einer anschließenden Feierstunde im Caritas-Pirckheimer-Haus nahm der langjährige Oberhirte aus den Händen von Nürnbergs Caritas-Präsident Bernhard Wacker und Direktor Michael Schwarz die Medaille „Pro meritis caritas norimbergae“ (Für Verdienste um die Nürnberger Caritas) entgegen. Schick sei dem „Feld der organisierten Nächstenliebe“ besonders aufgeschlossen gegenübergestanden, sagte Schwarz. „Sie waren ein Bischof der Caritas.“ Bei vielen Besuchen habe der Erzbischof ein Interesse für die Arbeit des Verbands gezeigt, das weit über die Höflichkeit hinausgegangen sei.

 

Schwarz nannte auch die beiden von Schick gegründeten Stiftungen „Brot für alle Menschen“ und „Kinderreich“ zur Unterstützung von Großfamilien und Alleinerziehenden. Es sei zudem kein Zufall, so Schwarz, dass im Erzbistum die Zuweisung von Mitteln an die kirchliche Wohlfahrtspflege größer und zuverlässiger erfolge als in anderen Diö-

zesen. Damit könnten Dienste angeboten werden, wo der Staat nicht ausreichend Geld zur Verfügung stellt, etwa bei der Hilfe für Obdachlose, Arme oder Migranten. Viele strukturell defizitäre Dienste der Caritas seien nur mit Hilfe von Kirchensteuermitteln möglich. „Sie haben Bleibendes geschaffen“, so der Direktor.

 

In seinen Dankesworten sagte Schick, ihm sei die Arbeit der Caritas immer am Herzen gelegen, er habe sie stets gefördert. Gerade in einer großen und vielfältigen Stadt wie Nürnberg sei die Tätigkeit des Verbands eine besondere Aufgabe. „Caritas will gelebt und gepflegt werden“, erläuterte der Erzbischof.

 

Oberbürgermeister mahnt

 

Zu den Gästen des Empfangs gehörte neben den Caritas-Repräsentanten aus Bamberg und Eichstätt, Gerd Richard Neumeier und Alfred Rottler, Stadtdekan Andreas Lurz und dem evangelischen Dekan Dirk Wessel auch Oberbürgermeister Marcus König (CSU). Er betonte, die Stadt führe zahlreiche Projekte gemeinsam mit dem örtlichen Caritasverband durch. Auch in Nürnberg gebe es eine auseinanderdriftende Gesellschaft – König zeigte sich entschlossen, dem entgegenzuwirken: Es gehe um das „Wir“, nicht um das „Ich“.

 

Die Festrede hielt der Gemeinderabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg, Stephen Langnas. Er widmete sich dabei dem Thema „Nächstenliebe im Judentum“. In seinem kurzweiligen und anekdotenreichen Vortrag bezeichnete Langnas die Nächstenliebe als das Fundament der Toleranz, umschrieb die Begriffe Altruismus und Egoismus („Wichtig ist das richtige Verhältnis zueinander“) und skizzierte das positive Menschenbild, das aus den Religionen erwächst: „Der Funke der Göttlichkeit ist in uns allen – deshalb haben es alle Menschen verdient, mit Respekt, Anstand und Toleranz behandelt zu werden.“

 

Der Geistliche erinnerte an die sogenannte Goldene Regel des bedeutendsten Rabbiners zur Zeit Jesu, Hillel: „Was dir verhasst ist, das tue deinem Nächsten nicht.“ Stephen Langnas rief dazu auf, in einem anderen Menschen nicht automatisch das Schlechte zu vermuten, niemanden in der Öffentlichkeit zu beschämen und auch Komplimente zu verteilen, „wenn es verdient ist“. Zur christlichen Feindesliebe sagte er: „Uns Juden ist nicht befohlen, den Feind zu lieben, aber ihm zu helfen.“

 

Die terroristischen Angriffe der radikalislamistischen Hamas auf israelisches Staatsgebiet am 7. Oktober, bei denen rund 1400 Menschen starben und mehr als 200 in den Gazastreifen verschleppt wurden, kamen bei dem Caritas-Empfang in mehreren Wortbeiträgen zur Sprache. „Das kaltblütige Töten von Kindern und Greisen, nur weil sie anders sind, ist die brutalste, primitivste Form von Egoismus“, unterstrich Rabbiner Langnas. Nächstenliebe sei „das, was mein Volk und meine Gemeinde momentan von Ihnen brauchen“, sagte er zum Abschluss seiner Rede.

 

Zu Beginn der Feierstunde hatte der Caritas-Präsident die christliche Solidarität für Israel bekundet: „Wir stehen als Freunde des jüdischen Volkes auf Ihrer Seite. Israel habe das Recht auf eine friedliche Existenz. Oberbürgermeister König sagte, von muslimischen Gemeinden in der Stadt habe er das Signal erhalten, dass in Nürnberg kein „Stellvertreterkrieg“ geführt werden solle.