Bkerke (KNA) – Der maronitische Patriarch Kardinal Bechara Rai hat die politische Führung des Libanon aufgerufen, eine militärische Verwicklung des Landes in den Krieg zwischen der Terrororganisation Hamas und Israel zu verhindern. In einer Rede mahnte er am Montag, der Libanon solle eine diplomatische Rolle bei der Unterstützung der palästinensischen Sache spielen. An der libanesisch-israelischen Grenze liefert sich seit Kriegsbeginn am 7. Oktober die libanesische Terrormiliz Hisbollah Gefechte mit der Armee Israels.
Der Patriarch verurteilte einen israelischen Luftschlag, bei dem am Sonntag Berichten zufolge nahe der südlibanesischen Gemeinde Ainata eine Frau und drei Kinder getötet worden waren, als "Massaker". Rai rief alle Konfliktparteien auf, das Feuer einzustellen. Zugleich erklärte sich der Geistliche solidarisch mit den Palästinensern: Er verurteile den "ewigen, zerstörerischen und vertreibenden Krieg gegen das palästinensische Volk aufs Schärfste" und befürworte eine Zwei-Staaten-Lösung.
Mit Blick auf die innenpolitische Lage im Libanon wiederholte Rai seine Forderung nach sofortiger Wahl eines Präsidenten. Seit Ende der Amtszeit von Michel Aoun im Oktober 2022 ist das Land ohne Präsidenten. Zudem amtiert seit Mai 2022 eine Übergangsregierung.
"Die Grundlagen des Staates zerfallen, die Finanz-, Wirtschafts- und Lebenskrise verschärft sich, unser Volk ist in Not, die besten Kräfte wandern aus", so der Patriarch. Erneut beklagte er die Last durch die täglich steigende Zahl syrischer Flüchtlinge. Die internationale Gemeinschaft müsse den Syrern in ihrem eigenen Land helfen - und nicht im Libanon, so Rai.
Die Maroniten sind die größte christliche Gemeinschaft im Libanon. Ihren Namen leiten sie vom heiligen Maron ab, einem Einsiedler, der im 5. Jahrhundert in Mittelsyrien eine Gruppe Christen aramäischen Ursprungs um sich versammelte. Nach der islamischen Eroberung wanderten sie im 7. Jahrhundert ins heutige libanesische Staatsgebiet aus. Von nach Angaben der katholischen Ostkirche weltweit rund 3,2 Millionen Maroniten leben mehr als die Hälfte in der nichtlibanesischen Diaspora. Nach einer Übereinkunft bei der Unabhängigkeit des Libanon 1943 stellen die Maroniten stets den Staatspräsidenten.