München/Hamburg (epd) – Sie gelten als meistgelesene Rubrik in deutschen Tageszeitungen: Traueranzeigen sind für viele Leserinnen und Leser interessanter als der Politik-, der Wirtschafts- oder der Sportteil. Kein Wunder, beantworten sie doch Tag für Tag aufs Neue die Frage, wer von den Bekannten, ehemaligen Berufskollegen oder einstigen Mitschülern gestorben ist.
Eine frühe Todesanzeige in einer Zeitung lässt sich 1753 im schwäbischen Ulm nachweisen: Johann Albrecht Cramer sei 70-jährig "an einem Schlagfluß schnell verstorben", heißt es darin. Zweck damaliger Inserate sei es gewesen, "den Tod anzuzeigen als öffentliche Bekanntmachung", sagt Stefanie Silber, Dozentin aus Hamburg mit Schwerpunkt Trauerdruck. Die Annoncen beinhalteten anfänglich "einen Infotext, wer wann und oft auch woran gestorben ist, und das ist im Fließtext gesetzt worden, ähnlich wie unsere Kleinanzeigen heute".
Heute bestehe die Hauptaufgabe der Anzeige nicht mehr darin, eine Todesnachricht zu kommunizieren. Der technische Fortschritt bringe es mit sich, dass Menschen solche Nachrichten via Telefon und Messenger-Dienste kommunizieren, sagt Silber. Somit habe sich die Todes- zur Traueranzeige wandeln können, in der Angehörige ihre Gedanken zum Ausdruck bringen. "Du hast uns viel zu früh verlassen", beklagen etwa die Einen, andere trösten sich mit Sätzen wie "Jetzt folgst du deinem lieben Mann". Silber erklärt: Das Gestalten einer Traueranzeige könne auch bei der persönlichen Trauerarbeit helfen.
Dass sich seit ein paar Jahrzehnten Fotos der Verstorbenen in Traueranzeigen integrieren lassen, ist nach Angaben des Münchner Bestatters Karl Albert Denk verbesserter Drucktechnik zu verdanken. In ländlichen Regionen wiesen viele Traueranzeigen solche Fotos auf, in Städten seien es weniger, berichtet Denk, zu dessen Dienstleistungen auch die Gestaltung von Traueranzeigen zählt.
Neben Fotos haben weitere grafische Elemente Einzug gehalten: Der Schiedsrichter bekommt eine gezeichnete Pfeife in seine Todesanzeige montiert, der Hobbylandwirt einen gemalten Trecker. Deutlich weniger als im 20. Jahrhundert ist dagegen ein Kreuz in Traueranzeigen zu finden: "Die christlichen Symbole sind zurückgegangen", das gelte insbesondere in städtischen Gegenden, in denen die Religionszugehörigkeit nicht mehr so ausgeprägt ist wie auf dem Land, sagt Denk.
Textlich kommen Traueranzeigen nach Erfahrung des Bestatters heute reduzierter daher als noch vor wenigen Jahrzehnten. Formulierungen wie "In liebevoller Dankbarkeit" seien weggefallen. Was Angehörigen weiterhin wichtig ist, seien Verse oder Sprüche. Die stammten nicht mehr so oft aus der Bibel, sondern seien inzwischen sehr weltlich. Außerdem hätten Spitznamen Einzug gehalten.
Früher las man oft, welchen Beruf der Mensch ausgeübt hat, heute seien solche Angaben nur noch in Anzeigen zu finden, die vom Arbeitgeber geschaltet werden, beschreibt Denk eine weitere Veränderung. Wohnort und Adresse anzugeben, damit Menschen Trauerpost dorthin schicken können, sei nahezu komplett weggefallen. "Die Leute haben Angst, dass bei ihnen eingebrochen wird", sei einer der Gründe.
Den klassischen schwarzen Rand weisen noch immer zahlreiche Traueranzeigen auf. "Bei vielen Zeitungen ist das vorgeschrieben", bedauert Denk. Andere Verlage ließen ihren Inserenten gestalterische Freiheit. "Das Interessante ist, dass wir viele Kunden aller Altersklassen haben, die trotzdem die klassische Anzeige haben möchten." Jüngere brächten sich dabei oft aktiv in die Gestaltung mit ein.
Die Zahl der Traueranzeigen hat laut Denk insgesamt abgenommen. Was zunehme, seien Traueranzeigen von Freunden. Auch schalteten inzwischen Eltern sogenannter Sternenkinder Anzeigen für ihren nicht geborenen Nachwuchs.
Immer häufiger werde der Bestatter von Angehörigen um Zusendung einer pdf-Datei der Traueranzeige gebeten - zum Weiterverschicken via WhatsApp. Denk, andere Bestatter sowie Zeitungsverlage bieten längst auch Online-Gedenkportale an. Wer mag, kann dort kondolieren oder eine Kerze entzünden. Keine echte, versteht sich, sondern eine virtuelle.