· 

Jede Kugel erzählt eine Geschichte

Glaskugeln aus der Mitte des 19. Jahrhunderts bis heute – alle in Lauscha hergestellt – sind in dieser Vitrine im Historischen Museum zu bestaunen. Foto: Andreas Kuschbert
Glaskugeln aus der Mitte des 19. Jahrhunderts bis heute – alle in Lauscha hergestellt – sind in dieser Vitrine im Historischen Museum zu bestaunen. Foto: Andreas Kuschbert

Bamberg (ku) – In den Wochen des Advents besorgen wir uns jedes Jahr einen Tannenbaum, tragen ihn ins Haus und schmücken ihn. Rund 30 Millionen Bäume zieren zu Weihnachten die deutschen Wohnzimmer. Aber warum machen wir das und wie lange gibt es diese Tradition schon? Und womit wurde der Baum ursprünglich geschmückt und was ist von diesen alten Traditionen heute noch übrig geblieben? Diesen Fragen gehen die Museen der Stadt Bamberg nach und zeigen im Historischen Museum in der Alten Hofhaltung eine sehenswerte Ausstellung über Christbaumschmuck im Wandel der Zeit und als wertvolle kulturhistorische Quelle. „Eine rund Sache? Wie Lauscha die Weihnachtskugel erfand“ lautet der Titel der Ausstellung.

 

Die Idee zur Ausstellung kam der Leiterin der Museen der Stadt Bamberg, Dr. Kristin Knebel, während eines Besuchs in Lauscha und dem dortigen Museum für Glaskunst vor etwa zwei Jahren. „Zu diesem Zeitpunkt wusste ich ja bereits, dass ich nach Bamberg kommen würde und hatte den Gedanken, dass die Glasherstellung etwas ist, dass sowohl im südlichen Thüringen als auch in Franken eine besondere Tradition hat, die eng zusammenhängt“, sagte Dr. Knebel bei der Ausstellungseröffnung. 

 

Und sie konnte ihre Begeisterung für das Thema auch auf Eleonora Cagol, seit Mitte 2022 als wissenschaftliche Volontärin in den Museen der Stadt Bamberg, übertragen. „Auch wenn ich mir als erste Reaktion gedacht habe, wie kann ich eine ganze Ausstellung über Christbaumkugeln machen?“ gab die Kuratorin unumwunden zu. Doch nachdem sie ebenfalls in Lauscha war, die Stadt entdeckt und das Museum für Glaskunst besucht hatte, war auch Eleonore Cagol fasziniert von der Thematik und entwickelte schon auf der Rückfahrt erste Ideen für die Ausstellung.

 

Beim Rundgang durch die Ausstellung zeigten Kristin Knebel und Eleonore Cagol auf, dass jede der gezeigten Kugeln, vor allem die ältesten aus der Zeit um 1860, ihre eigene Geschichte erzählen, Geschichten von Kreativität, von Erfolg, aber auch von Armut und Not erzählen. Hinter jeder Kugel stehen die Lebensgeschichten ganzer Glasbläserfamilien, von Männern, Frauen und Kindern. Denn in der Ausstellung geht es nicht nur um die Weihnachtskugel, sondern auch um die Geschichte des Weihnachtsbaums, um die Entwicklung des Weihnachtsschmucks, um Bamberger Traditionen, um die Technik des Lampenblasens, um Glasbläserfamilien und Botenfrauen, um Glasschmuck im Laufe der Geschichte bis hin zu den heutigen, manchmal kitschigen Dekorationen.

 

Wiege des Baumschmucks

 

Lauscha gilt als die Geburtsstadt des gläsernen Christbaumschmucks. Die ersten Exemplare von Glasschmuck als Dekoration für den Weihnachtsbaum entstanden hier um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Der Legende nach kam im Jahr 1847 einem armen Glasbläser, der sich keinen anderen leisten konnte, die Idee, farbigen Glasschmuck für den Weihnachtsbaum selbst herzustellen. 

 

Bereits im folgenden Jahr wurden in Lauscha die ersten Weihnachtskugeln in verschiedenen Größen über den familiären Eigenbedarf hinaus angefertigt. Damit begann der Siegeszug der Christbaumkugeln zu einer der beliebtesten Weihnachtsdekorationen in Deutschland. Um 1880 wurden die ersten Stücke in die USA exportiert, wo sie außerordentlichen Erfolg hatten.

 

Lauscha und der dort produzierte Christbaumschmuck wurden weltweit bekannt. Die „Herstellung von mundgeblasenem gläsernen Lauschaer Christbaumschmuck“ ist seit 2021 in das bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Der Weihnachtsschmuck wurde von den Lauscher Glasbläsern in Heimarbeit hergestellt. Die ganze Familie war an der Herstellung beteiligt. Von Mai bis Anfang Dezember arbeiteten die Glasbläser bis zu 15 Stunden am Tag an der Lampe. Frauen, Kinder und Großeltern waren täglich mit anderen Arbeiten wie Versilbern und Bemalen beschäftigt, im Durchschnitt 12 Stunden und mehr pro Tag. 

 

Die Frauen der Glasbläserfamilien hatten noch eine weitere Aufgabe Sie lieferten den in der Woche hergestellten Baumschmuck zum Zwischenhändler. Die Schmuckstücke wurden in Schachteln verpackt und auf einem Gestell befestigt. Danach trugen die Frauen – stellvertretend für sie alle wird die Botenfrau Ida Sorge in der Ausstellung gezeigt – die vollen Lieferkörbe auf ihre Rücken bis ins 20 Kilometer entfernte Sonneberg.

 

Wie heute in Lauscha Christbaumschmuck hergestellt wird, zeigt ein interessanter Kurzfilm, der in der Ausstellung gezeigt wird. Für den Film war Eleonore Cagol zu Gast bei Michael Haberland und Cornelia Brückner, die sich bei ihrer Arbeit filmen ließen und den Besuchern, zeigen, wie eine Christbaumkugel entsteht Cagol: „Sie haben uns nicht nur diese zauberhafte Technik sehr ausführlich erleben lassen, sondern haben uns auch den Nervenkitzel erleben lassen, unsere erste Weihnachtskugel zu blasen.“ Das Ergebnis ist in einer der Vitrinen zu sehen.

 

Neben der Geschichte der Glasbläser aus Lauscha wird zu Beginn der Ausstellung auf die Geschichte des Weihnachtsbaums eingegangen. Goethe erwähnte den Weihnachtsbaum als einer der Ersten in der deutschen Literatur, E.T.A. Hoffmann erzählt in dem Märchen „Nussknacker und Mausekönig“ von dem Weihnachtsbaum im Wohnzimmer der Familie Stahlbaum. 

 

Im 19. Jahrhundert gelangte der Brauch des Weihnachtsbaums ins Ausland. So war es beispielsweise Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha, der Gemahl der englischen Königin Victoria, der einen Weihnachtsbaum in London aufstellte. Eine Darstellung davon in einer Londoner Zeitung trug dazu bei, auch in England Weihnachten als Fest der Familie zu inszenieren.

 

Die gezeigten kostbaren Objekte, aber auch die Kinderstationen machen die Ausstellung im Historischen Museum zu einer „runden Sache“ und zu einem Erlebnis für die ganze Familie.