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"Klares politisches Signal"

Bonn / Vatikanstadt (KNA) – Kurz vor Weihnachten legte eine Erklärung aus dem Vatikan Bruchlinien in der katholischen Kirche offen. Während wie der Trierer Bischof Stephan Ackermann zahlreiche deutsche Bischöfe das Papier als Durchbruch in der Seelsorge lobten, fallen die Reaktionen in anderen Teilen der Welt kritischer aus.

Am 18. Dezember hatte die vatikanische Glaubensbehörde überraschend eine Grundsatzerklärung veröffentlicht. Sie erlaubt es Priestern, homosexuelle und auch unverheiratete und wiederverheiratete Paare zu segnen. Zugleich fordert der Vatikan, eine Verwechslung mit einer Eheschließung auszuschließen. Die katholische Lehre, wonach die sexuelle Vereinigung nur innerhalb einer Ehe von Mann und Frau erlaubt sei, bleibe unverändert. Auch dürfe die Segnung nicht in einem gottesdienstlichen Rahmen erfolgen.

 

Erweiterter Spielraum

 

Nach Ansicht des Passauer Bischofs Stefan Oster erweitert das Vatikan-Papier den Spielraum für die Seelsorge, ohne dass an der kirchlichen Lehre etwas geändert werde. Die entscheidende Neuerung, so der Bischof in einem auf seiner Internetseite veröffentlichten Kommentar, liege in dem Verständnis dessen, was ein Segen sei. Dabei gehe es um ein Handeln außerhalb von Gottesdienst und Liturgie. Bereits ausformulierte Texte und Rituale, wie sie dazu in Deutschland schon erarbeitet worden seien, seien „ausdrücklich nicht erlaubt“.

 

Klärungsbedarf sieht auch der Aachener Bischof Helmut Dieser, der das Papier jedoch grundsätzlich begrüßte. Konkret bezog er sich auf die beim Synodalen Weg erarbeiteten Ausführungen zum Thema Segnungen. Das Bistum Rottenburg-Stuttgart kündigte unterdessen an, zeitnah Vorschläge für entsprechende Segnungen von homosexuellen sowie von unverheirateten oder wiederverheirateten Paaren zu erarbeiten.

 

Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße verteidigt das neue Vatikan-Papier. „Das Besondere an diesem Dokument ist, dass es in sogenannten ‚irregulären Beziehungen‘ Wertvolles ausmacht“, sagte Heße im Interview von stern.de. „Es wird klar gemacht, dass jeder Mensch, wenn er Sehnsucht nach der Zuwendung Gottes hat, diese auch zugesagt bekommen soll.“

 

Jeden einzeln zu segnen, sei auch bisher theologisch kein Problem gewesen, so der Erzbischof. „Es geht explizit um Paare, die nicht ins Schema passen.“ Es gehe darum, diese Beziehungen neu zu sehen. „Der Papst sagt hiermit, dass es viel mehr zu beachten gilt als die bloße Norm. Gnade geht weit über den normativen Weg hinaus. Eine starke Aussage.“

Der Fuldaer Bischof und stellvertretende Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, Michael Gerber, sieht das neue Vatikan-Papier zur Segnung Homosexueller auch als „klares politisches Signal“. Dieses gehe vor allem in Richtung einiger afrikanischer Länder, wo für praktizierte Homosexualität bis heute harte Strafen bis hin zur Todesstrafe drohten, sagte er am Sonntag im Interview der Woche im Deutschlandfunk. 

 

Internationale Reaktionen

 

Das neue Vatikandokument stößt international auf Widerstand bei vielen Bischöfen. Sie fürchten um den Bestand der katholischen Lehre zur Sexualität – oder suchen zumindest nach Klärung. 

 

So suchen die Bischöfe in Afrika nach einer gemeinsamen Linie. Der kongolesische Kardinal Fridolin Ambongo Besungu als Vorsitzender des gesamtafrikanischen Bischofsrats SECAM rief alle Bischofskonferenzen des Kontinents auf, ihre Haltung dazu zu formulieren und ihm bis Mitte Januar zu schicken.

 

Daraus will er dann eine gemeinsame Stellungnahme an den Vatikan verfassen, die als „allgemeine Richtlinie für alle Ortskirchen auf unserem Kontinent“ dienen soll. Der Kardinal gehört auch dem Kardinalsrat an, dem wichtigsten Beratergremium von Papst Franziskus. Die „Mehrdeutigkeit“ der Erklärung löse bei den Gläubigen große Ratlosigkeit aus. Als Hirten müssten die afrikanischen Bischöfe ihnen eine klare Richtung geben. 

 

Zuvor hatte sich die katholische Bischofskonferenz in Afrikas bevölkerungsreichstem Land Nigeria klar gegen die vom Vatikan erlaubte Segnung gleichgeschlechtlicher Paare gestellt. In einer Erklärung heißt es, das würde „gegen Gottes Gesetz, die Gesetze unseres Landes, die Lehren der Kirche und das kulturelle Empfinden unseres Volkes gehen“.

Die deutlich kleineren Bischofskonferenzen von Malawi und Sambia hatten ähnlich lautende Erklärungen veröffentlicht. Inzwischen hat sich auch die Bischofskonferenz von Kamerun gegen die Segnungen ausgesprochen.

 

Auch die ukrainische griechisch-katholische Kirche distanzierte sich von dem Vatikandokument. Es erläutere nicht die pastorale Bedeutung von Segnungen in den katholischen Ostkirchen, betonte der Kiewer Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk. 

 

Das Dokument gelte nur für die lateinische Kirche und habe „keine Rechtskraft für die Gläubigen der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche“. Es sollten „zweideutige Gesten, Aussagen und Konzepte“ vermieden werden, „die das Wort Gottes und die Lehren der Kirche entstellen“.