· 

Unbeschwerte, pausbäckige Keramik-Kinder

Ein Bild im Werksverkauf in Rödental zeigt Berta Hummel im Ornat der Franziskanerinnen, umringt von Kindern. Foto: Andreas Kuschbert
Ein Bild im Werksverkauf in Rödental zeigt Berta Hummel im Ornat der Franziskanerinnen, umringt von Kindern. Foto: Andreas Kuschbert

Rödental (epd) – Ein Blick hinter die Kulissen der oberfränkischen Hummel Manufaktur im Städtchen Rödental ist ein Blick auf eine große, aber vergangene Keramikgeschichte. Von hier gingen seit fast 90 Jahren die Hummelfiguren millionenfach in alle Welt hinaus. Davon zeugt noch heute das mächtige Werk am Stadtrand, das allerdings schon weitgehend anderweitig vermietet ist.

 

Prokuristin Doris Langold führt gleichwohl mit einem gewissen Stolz durch die verwinkelten Betriebsräume über mehrere Stockwerke: „Wir sind auch im Zeitalter der Automatisierung noch eine echte Manufaktur.“ Sie zeigt die wuchtigen Brennöfen, die nicht mehr auf Hochtouren laufen. Heutzutage verlassen noch gut 12 000 Hummelfiguren pro Jahr die Manufaktur. Zu Hochzeiten fertigten die Rödentaler Keramiker schon mal bis zu 100 000 Figuren.

 

Die pausbäckigen Keramik-Kinder gehen auf Zeichnungen von Berta Hummel (1909 bis 1946) zurück. Sie erblickte im niederbayerischen Massing das Licht der Welt und zeigte schon im Kindesalter ein ausgeprägtes schöpferisches Talent. Als 18-jährige junge Frau schrieb sie sich zunächst an der Akademie für Angewandte Kunst in München ein.

 

Erste Figuren von 1935 

 

Vier Jahre später trat sie ins Franziskanerkloster Sießen in Württemberg ein. Nach ihrem Ordensgelübde übernahm sie als Maria Innocentia Hummel auch den Zeichenunterricht an einer vom Kloster geführten Schule. Dann entstanden Hunderte Zeichnungen von spielenden Kindern, die wiederum die Vorlage für die heutigen Keramikfiguren sind. Bereits die ersten Objekte im Jahr 1935 begründeten eine internationale Erfolgsgeschichte.

 

Aus dem umfassenden Bestand an Zeichnungen und Skizzen haben rund 600 den Weg in die Sammlerwelt der Hummelfiguren gefunden. Der Prozess für jede neue Figur ist streng reglementiert. Zunächst wird auf Grundlage einer Zeichnung ein Tonmodell geschaffen. Dieses wird mit dem Kloster Sießen und der Familie Hummel genauestens abgestimmt. Die Anmutung bleibt so, wie sie dem Alltag der damaligen Zeit entspricht. „Es ist ein Stück heile Welt“, beschreibt Langold ihre „Hummeln“.

 

Die Welt glücklicher und unbeschwerter Kinder wird nicht verwässert oder modernisiert, lautet das eherne Gesetz. Daher werden auch Bücher oder die damals noch obligatorische Schiefertafel nicht in die Gegenwart übersetzt. „Es wird nie passieren, dass ein Kind ein Smartphone in der Hand hält.“

 

Dabei sind auch für die Franziskanerschwestern moderne Kommunikationsmittel nicht Tabu. Die Prokuristin berichtet von Sitzungen, in denen die Schwestern bei der Begutachtung gern mal durch ihre Laptops scrollen. Über den rollschuhfahrenden Jakob etwa wurde ausgiebig diskutiert, wie die zeitgemäße Anmutung von Rollschuhen der 1930er-Jahre war. Auch auf die Farbgebung sei großes Augenmerk verwendet worden. Eine Farbtafel in der Manufaktur stellt sicher, dass die jeweiligen Farbtöne exakt gemischt werden.

 

Großer Erfolg dank GIs

 

Für eine große Erfolgsgeschichte sorgten nach dem Zweiten Weltkrieg die amerikanischen GIs. Sie nahmen mit den Hummelfiguren ein Stück Deutschland zurück in ihre Heimat. Bis heute stellen die Amerikaner den größten Teil im offiziellen M.I.Hummel Club, der weltweit die Hummel-Sammler bündelt. Langold kämpft um neue Mitglieder für den Club. Es gelinge ihr aber nicht, den „natürlichen Schwund“ nur annähernd auszugleichen, sagt sie. Noch vor knapp zehn Jahren kam Nordamerika auf gut 25 000 Mitglieder. „Aktuell liegt die Zahl bei etwa 8000 bis 10 000 in den USA“. In Deutschland und Europa sind es noch ungefähr 2 500 Sammler.

 

Die „Hummeln“ entstehen aus Einzelteilen, die in präziser Handarbeit zusammengesetzt und sorgfältig verputzt werden. Nach dem ersten Brand bei 1140 Grad für Standfestigkeit, erfolgt der sogenannte Glasurbrand bei immerhin noch 1080 Grad. Dann entstehen mit kleinsten Pinseln oder Federn zunächst die Gesichter, dann Haut- und Haarfarbe sowie Kleidung. Anschließend erhält Jakob seine bunten Rollschuhe mit angedeuteten Schrauben. Nach dem dritten sogenannten Dekorbrand ist die Figur dann fertig. In der Manufaktur arbeiten Frauen, die teils vor über 40 Jahren eine Ausbildung zum längst verschwundenen Keram-Maler absolviert hatten.

 

Zu den Highlights der Manufaktur zählt Langold die Blumenmadonna mit einem ganz besonderen Dekor. „Um die Blumen zu bemalen, ist jemand wochenlang beschäftigt.“ Das lässt sich auch am stolzen Preis von 1200 Euro ablesen. Die Corona-Pandemie hat die Hummel-Manufaktur nach eigenen Angaben gut überstanden. Allerdings wurde in dieser Zeit der eigene Laden geschlossen und die Firmenführungen gestrichen. Auch für die wirtschaftliche Zukunft zeigt man sich zuversichtlich.

von Thomas Tjiang (epd)