Berlin/Hamburg (KNA) – Zum Beginn des Superwahljahrs warnen die sechs für Ostdeutschland zuständigen katholischen Bischöfe vor den Umtrieben rechter Parteien. In einem gemeinsamen Appell, über den am Donnerstagabend zuerst der "Spiegel" berichtete, erklären sie unter Verweis auf ihr Gewissen, sie könnten die Positionen extremer Parteien wie der "III. Weg", der Partei Heimat oder auch der AfD nicht akzeptieren.
Neben den Wahlen zum Europäischen Parlament finden 2024 Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen sowie Kommunalwahlen in neun Bundesländern statt.
Wörtlich heißt es in dem Schreiben, das auch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegt: "Krude Ausweisungsphantasien für Migranten und ihre Unterstützer, die Ablehnung von Schutzangeboten für Geflüchtete, die Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung, der alleinige Fokus auf Leistungsfähigkeit, die Leugnung des menschengemachten Klimawandels und die pauschale Verächtlichmachung von politischen Akteuren und Institutionen sind mit diesen Grundwerten unserer Gesellschaft unvereinbar."
Die Bischöfe räumen ein, dass viele Menschen politische Entscheidungen nicht mehr verstünden. Sie seien verunsichert, wütend und hätten Angst vor dem sozialen Abstieg. Aber: "Das darf uns nicht dazu bringen, uns von populistischen Aussagen und scheinbar einfachen Lösungen vereinnahmen zu lassen." Unterzeichnet ist der Aufruf von den Erzbischöfen Heiner Koch (Berlin) und Stefan Heße (Hamburg) sowie den Bischöfen Gerhard Feige (Magdeburg), Ulrich Neymeyr (Erfurt), Heinrich Timmerevers (Dresden-Meißen) und Wolfgang Ipolt (Görlitz).
Die Geistlichen rufen die Wähler auf, sich umfassend zu informieren und eine verantwortungsvolle Entscheidung zu treffen: "Prüfen Sie bei Ihren Überlegungen die langfristigen Folgen für unser Zusammenleben, für Ihre Familien und auch für Sie ganz persönlich."
Die Bischöfe erinnern zudem daran, dass die Orientierung an den christlichen Wurzeln, den Menschenrechten, den Werten der Demokratie, des Rechtsstaats und der sozialen Marktwirtschaft Deutschland Frieden und Wohlstand gebracht hätten. "Auf dieser Grundlage werden wir auch die Herausforderungen unserer Zeit bewältigen." Sie appellieren an die Wähler: "Treten Sie ein für unsere freie und vielfältige Gesellschaftsordnung auf der Grundlage unserer Verfassung!"
Der Hamburger Erzbischof Heße sagte dem "Spiegel", man sei im Dezember übereingekommen, sich jetzt zu äußern. Die AfD bezeichnete Heße als "demokratiefeindlich", ihr Gedankengut als "völkisch und nationalistisch". Der Erzbischof, der auch Flüchtlingsbischof der Deutschen Bischofskonferenz ist, weiter: "Eine Schnittmenge zwischen Christentum und AfD existiert nicht."
Der Erfurter Bischof Neymeyr nannte den Appell einen "Weckruf für Katholiken in der AfD, die sich durch ihre Mitgliedschaft von ihrem Glauben entfremden". Neymeyr fügte hinzu, er verstehe Unzufriedenheit mit der Politik nur bis zu einem gewissen Grad. Sein Verständnis ende da, "wo allgemein anerkannte Tatsachen geleugnet werden, etwa der menschengemachte Klimawandel".
Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige ergänzte am Freitag den Aufruf mit den Worten: "Demokratie ist ein kostbares, aber auch gefährdetes Gut und erfordert das Engagement vieler. Dass man diese freiheitliche Gesellschaftsform gegen ihre Untergrabung - wie jetzt - einmal massiv verteidigen müsse, hätte ich mir nach dem Ende der DDR mit ihrer 'Diktatur des Proletariats' und nach der Wiedervereinigung Deutschlands so nicht vorstellen können."
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Georg Bätzing hatte sich wiederholt von der AfD distanziert, unter anderem Ende Dezember in einem Interview der "Süddeutschen Zeitung". "Katholisch zu sein und gleichzeitig AfD-Anhänger, das geht für mich nicht zusammen", sagte der Bischof von Limburg damals.