· 

Historiker: Kampf gegen Missbrauch auf Familien ausweiten

Hamburg (KNA) – Nach der Missbrauchsstudie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sieht der Historiker Thomas Großbölting den Staat gefordert. Der Kampf gegen sexualisierte Gewalt müsse über die Kirchen hinaus verstärkt werden, sagte der Direktor an der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Denn therapeutische Expertinnen und Experten sagen: Der häufigste Tatkontext ist die Familie."

 

Großbölting war an der am Donnerstag vorgestellten "Forum"-Studie im Auftrag der EKD beteiligt. Der Hochrechnung zufolge wurden seit 1946 in EKD und Diakonie 9.355 Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht. Die geschätzte Zahl der Beschuldigten liegt bei rund 3.500.

 

"Die evangelische Kirche hat sich bei diesem Thema bislang eher im Schatten der katholischen Kirche bewegt", sagte Großbölting. "Es ist gesellschaftlich und medial viel einfacher, über katholische Priester zu sprechen - eine Gruppe von alten Männern in bunten Kostümen, die tatsächlich oder vorgeblich zölibatär leben. Wir sehen jetzt aber, dass die Parallelen zwischen beiden Kirchen viel stärker sind als die Unterschiede."