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Opferkunst im Bistumshaus St. Otto

„Via Crucis V“ – Simon von Cyrene hilft Jesus das Kreuz tragen“ hat Josef B. ­dieses Bild betitelt.
„Via Crucis V“ – Simon von Cyrene hilft Jesus das Kreuz tragen“ hat Josef B. ­dieses Bild betitelt.

Bamberg (ku) – Hans G. und Josef B. – das sind die Pseudonyme von zwei Künstlern. Man weiß nicht wer sie sind, woher sie kommen, wo sie leben – sie wollen anonym bleiben. Was man von ihnen jedoch weiß, ist erschütternd: Sie wurden über Jahre hinweg Opfer von sexuellem und spirituellem Missbrauch, Opfer des gleichen Täters. Und sie haben noch eines gemeinsam: Sie haben die Erlebnisse des Missbrauchs in Bildern zum Ausdruck gebracht, großflächig und abstrakt auf der einen Seite, konkret und gegenständlich auf der anderen. Rund 50 dieser Bilder sind vom 15. Februar bis 15. April im Bistumshaus St. Otto in Bamberg zu sehen. Der Titel der Ausstellung: „Beschädigt. Bilder nach dem spirituellen und sexuellen Missbrauch“.

 

Es braucht starke Nerven, die Bilder zu betrachten, die die Ergebnisse therapeutischer Begleitung sind. „Die Besucher müssen sich darauf einstellen, auch gewaltvolle Szenen zu sehen“, sagt Carina Lang, Referentin für Erwachsenenbildung bei der Katholischen Erwachsenenbildung in der Stadt Bamberg, im Gespräch mit dem Heinrichsblatt. „Es handelt sich zum Teil um explizite Darstellungen, die auf sensible Betrachter oder Kinder und Jugendliche verstörend wirken können.“ Aus diesem Grund findet die Ausstellung auch in einem nicht ständig für die Öffentlichkeit zugänglichen Raum, nämlich im Festsaal des Bistumshauses, statt. 

 

Nach den Worten von Carina Lang, ging die Initiative für die Ausstellung von den Künstlern selbst aus, die den Kontakt mit der Katholischen Erwachsenenbildung suchten. Es bildete sich ein Vorbereitungsgremium, mit Hausherrn Regens Ewald Sauer und der Bistumsleitung wurde das Projekt besprochen und schließlich umgesetzt. 

 

Mit Blick auf die für die Ausstellung zur Verfügung gestellten Bilder betont die KEB-Referentin, dass keine Vorauswahl oder Zäsur vorgenommen wurde. Lediglich bei den Titeln wurden Kompromisse gesucht und gefunden. „Wir hatten eine wirklich gute und offene Kommunikation“, so Carina Lang. 

 

Es ist das erste Mal überhaupt, dass in einer Ausstellung „Opferkunst“ gezeigt wird. Carina Lang: „Die beiden Künstler stellen dar, was der Missbrauch mit ihnen gemacht hat.“ Und sie schreiben es auch nieder in der Begleitbroschüre.

So schreibt Hans G.: „Ich bin leibfeindlich und katholisch aufgewachsen. In meiner Erinnerung war ich ängstlich und brav.“ Über das Ministrieren sei er in Kontakt zu einem katholischen Geistlichen gekommen, „der mir ,Nachhilfe‘ gab und sich über einen längeren Zeitraum übergriffig verhielt. Gleichzeitig wurde er mein Beichtvater und ,klärte mich auf‘, was den Namen Aufklärung nicht verdient“. 

 

Und Hans G. bekennt, dass er aus dem „Sumpf von Schweigen, Schamgefühl und schlechtem Gewissen“ keinen Ausweg fand. Erst ungefähr 30 Jahre nach dem Kontakt mit dem Priester sei er erstmals in der Lage gewesen, über die Erlebnisse und Empfindungen zu sprechen. 

 

Von sich als „Engel“, der in einem Abgrund aus Einsamkeit, Selbst- und Fremdhass fiel, spricht Josef B. und fährt über sich in der dritten Person weiter: „Seitdem ist ihm die Religion vergiftet, sein Körper vergiftet, seine Seele getrübt und seine Lebensfreude und Beziehungsfähigkeit nachhaltig gestört.“ Erst im Alter von 55 Jahren habe ihm eine Psychotherapeutin geholfen, einen Blick in den schwarzen Abgrund zu tun. Und er begann zu malen; sein künstlerisches Werk umfasst viele tausend Bilder, die nach seiner Aussage vom Sturz eines Engels in eine fremde Welt sprechen, aber auch von der Sehnsucht nach Heilung, von der Liebe zu einem gesunden Leben, von der Hoffnung auf eine neue Geburt.

Am 15. Februar findet um 19 Uhr die Vernissage zur Ausstellung statt. Professor Dr. Ute Leimgruber, Inhaberin des Lehrstuhls für Pastoraltheologie und Homiletik an der Universität Regensburg, wird einen Vortrag zum Thema „Spiritueller Missbrauch“ halten. Nach einem vom Theologen und Philosophen Matthias Scherbaum moderierten Austausch, wird es eine Führung durch die Ausstellung geben. 

 

Scherbaum und der therapeutische Theologe Gerg Beirer werden auch immer wieder Führungen durch die Ausstellung anbieten.