Vierzehnheiligen (ku) – Die Zahlen sind erschreckend. Der neue Pastoralplan des Erzbistums Bamberg prophezeit bis 2030, in nur sechs Jahren, einen Rückgang der Priester im Erzbistum um 22 Prozent, die Zahl der Hauptamtlichen im Pastoralen Dienst um 32 Prozent. Die Konsequenzen: entweder wird das Angebot an Gottesdienst, Kasualien und anderen Aktivitäten gekürzt, oder Ehrenamtliche übernehmen neue Aufgaben – auch im Bereich der Seelsorge. Doch auch die Zahl der Ehrenamtlichen geht zurück, das Kirchenrecht setzt Grenzen und das Verhältnis von Haupt- und ehrenamtliche ist nicht immer konfliktfrei. Zwei Tage lang diskutierten am vergangenen Wochenende die Delegierten des Diözesanrats der Katholiken in den Bildungs- und Tagungshäusern intensiv über diese Thematik.
Dass die Kirche vor großen Herausforderungen steht, betonte auch Professor Dr. Sabine Bieberstein, Professorin für Exegese des Neuen Testaments und Biblische Didaktik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, in ihrem Impulsvortrag am Freitagabend. Und sie konstatierte mit Nachdruck: „Es ist klar, dass es so, wie es ist, nicht weitergehen wird.“ Doch wie soll es weitergehen? Bieberstein: „Gäbe es nicht Kompetenzen und Fähigkeiten, theologisch gesprochen ,Charismen‘ in den Gemeinden, die entdeckt, gefördert und zur Entfaltung gebracht werden können?“ Und sie verwies in diesem Zusammenhang auf das Konzept der Charismen, das auf den Apostel Paulus zurückgeht und in dem er in seinen Briefen immer wieder spricht.
Paulus entwirft seine Vorstellung vom Leben einer Christus-Gemeinde nicht von hierarchischen Strukturen oder von einem Leitungsamt her, sondern von den Fähigkeiten und Funktionen der einzelnen Gemeindemitglieder. Zur theologischen Beschreibung führte Paulus den Begriff „Charismen“, Gnadengaben ein.
Mit Blick auf die Situation der Kirche heute und die derzeit geführten pastoraltheologischen Debatten sagte Sabine Bieberstein: „Die Begriffe Taufe und Charisma haben Hochkonjunktur. Taufe und Charisma werden vielfach als biblische Grundlage für Pastoralkonzepte oder Kirchenentwicklungsstrategien herangezogen. So sind in diesem Kontext in den letzten Jahren Rufe nach Charismenförderung, einer charismenorientierten Pastoral oder gar einer ,Charismen-first-Strategie‘ zu hören.“ Für die Professorin grundlegend und unabdingbar für eine Weiterentwicklung der Pastoral angesichts des sich abzeichnenden Personalmangels.
Es dürfe nach Biebersteins Worten jedoch nicht bei einem unverbindlichen Gerede von Charismen bleiben. „Vielmehr gilt es, die vorhandenen Kompetenzen der Gemeindemitglieder ernst zu nehmen und Räume und Strukturen zu schaffen, in denen sie zur Geltung und Entfaltung kommen,“ so Professor Bieberstein. Und sie hält es für wichtig, diesen Weg nicht nur als Notlösung zu begreifen. Es dürfe nicht um ein Kirchenpersonal zweiter Klasse gehen, „das man wieder wegwerfen kann, wenn man es nicht mehr braucht“. Und es dürfe nicht darum gehen, „mit Hilfe eines Notlösungspersonals das bestehende System, das ja offensichtlich an ein Ende gekommen ist, noch ein bisschen länger aufrechtzuerhalten“.
Laut Sabine Bieberstein müsse es vielmehr darum gehen, Gemeinde und die Funktionen, die in einer Gemeinde wahrgenommen werden, neu zu denken, bewährte Menschen, entsprechend ihren Fähigkeiten, mit Aufgaben zu betrauen und Menschen zu ermutigen, ihre Fähigkeiten tatsächlich auch einzubringen.
Im Verlauf ihres Vortrags sprach die Referentin von einer möglichen Beauftragung durch die Gemeinden, von einer Weiterqualifizierung, die helfe, die übertragenen Aufgaben fundiert und stressfrei wahrnehmen zu können und schließlich auch von einer möglichen Vergütung, die helfe, eventuelle Verdienstausfälle auszugleichen und eventuell zum Lebensunterhalt beizutragen.
Den ausführlichen Beitrag lesen Sie in der Ausgabe 11/2024