Brüssel (KNA) – Mit Blick auf die Europawahl haben der Vorsitzende der EU-Bischofskommission COMECE, Mariano Crociata, und der Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Matteo Zuppi, eine bürgernahe und weniger bürokratische EU gefordert. Aus Richtlinien und Verordnungen allein wachse kein Zusammenhalt, heißt es in einem gemeinsamen Brief zum Europatag, der am Donnerstag begangen wird. Trotz der besonderen Belastung Italiens durch ankommende Migranten plädierten die beiden italienischen Bischöfe in ihrem am Mittwoch veröffentlichten Brief für die Aufnahme von Schutzsuchenden und neuen Arbeitskräften.
Europa dürfe sich nicht mit seinem Wohlstand begnügen, sondern müsse gegen Ungerechtigkeit und Armut weltweit kämpfen. Angesichts der Migrantenströme betonten die Bischöfe, niemand dürfe auf der Suche nach einer besseren Zukunft umkommen, und viele sollten Gastlichkeit finden. "Wer aufnimmt, schafft Leben", so Crociata, Bischof von Latina, und der Bologneser Erzbischof Zuppi.
Nötig seien ein neues Gemeinschaftsgefühl und ein europäischer Bürgersinn, schreiben die Bischöfe. Die Menschen müssten die EU nah und vertraut empfinden und nicht distanziert. Phasen des Stillstands und Hürden bei der europäischen Einigung nähmen zu, wenn das Gefühl der Gemeinschaft verloren gehe. Als "lebendiger Organismus" müsse die EU auch institutionelle Reformen angehen, um für aktuelle Herausforderungen gewachsen zu sein.
Unter Verweis auf den russischen Angriffskrieg fragten die Bischöfe nach dem Kurs der EU, die als Friedensprojekt begonnen hatte. "Wir müssen das Projekt der Gründerväter wieder aufgreifen und neue Friedenspakte schließen, wenn wir wollen, dass der Krieg gegen die Ukraine endet", so Crociata und Zuppi. "Wenn man nicht für den Frieden Sorge trägt, kehrt immer die Gefahr des Krieges wieder."
Die europäische Einheit sei umso dringender zu suchen, heißt es weiter. Innere Gegensätze schwächten das internationale Gewicht der EU, aber auch ihre Fähigkeit, den Erwartungen ihrer Bürger zu entsprechen. Die Bischöfe riefen dazu auf, sich auf gemeinsame Motivationen, Ideale und Werte zu besinnen; langfristig müsse es über wirtschaftliche Vorteile hinaus wahrnehmbare Gründe für das Zusammenbleiben geben.
Die Kirchenvertreter sprachen sich für mehr europäische Integration und die EU-Erweiterung aus, für eine möglichst einheitliches Steuersystem, eine starke Außenpolitik sowie eine gemeinsame Verteidigung, die es Europa erlaube, seine internationale Verantwortung wahrzunehmen.
Erneut riefen die Bischöfe zur Teilnahme an der Europawahl im Juni auf. Wer nicht wählen gehe, gebe "anderen die Macht, ohne, wenn nicht gegen unsere Freiheit zu handeln".