Erlangen (buc) – So bunt, vielfältig und teils auch widersprüchlich, wie die Stadt Erlangen in ihrem Spannungsfeld zwischen traditioneller mittelfränkischer Gemütlichkeit und der Prägung durch die Friedrich-Alexander-Universität und das Weltunternehmen Siemens wirkt, gibt sich auch der katholische Seelsorgebereich Erlangen. Er umfasst neben den Pfarreien in der City, im Süden und im Nordwesten auch das ländliche Uttenreuth sowie die Kirchengemeinden in Eltersdorf und Tennenlohe, von wo aus man mehr Nürnberg als Erlangen sieht.
Bei der Strukturreform im Erzbistum vor knapp fünf Jahren fügten sich drei gewachsene Gebiete zum neuen Seelsorgebereich Erlangen zusammen: die Stadtmitte mit Herz Jesu und St. Bonifaz sowie St. Sebald, der Erlanger Süden mit den beiden Pfarreien Heilig Kreuz und St. Peter und Paul, die schon zuvor ein „festes Konstrukt“ bildeten, wie Leitender Pfarrer Michael Schüpferling sagt, sowie St. Theresia in Erlangen-Sieglitzhof mit Uttenreuth und Kalchreuth. Von dort gab es früher eine Verbindung nach Bubenreuth, Baiersdorf und Möhrendorf, die sich aber 2019 dem Seelsorgebereich Erlangen Nord-West anschlossen.
Die Katholiken in Kalchreuth hatten anfangs eher nach Heroldsberg tendiert, weil das die nächstliegende Pfarrgemeinde ist, entschieden sich dann aber doch zum Verbleib bei Uttenreuth. Eine ökumenische Besonderheit: In Kalchreuth gibt es keine katholische Kirche, die Gläubigen feiern alle zwei Wochen Gottesdienst in der evangelischen Andreaskirche – schönes Zeichen der konfessionellen Gastfreundschaft in einer ehemals ganz überwiegend protestantischen Region. Das Verhältnis von evangelischen und katholischen Christen in und um Erlangen ist mittlerweile fast ausgeglichen, etwa die Hälfte der Bevölkerung gehört noch einer christlichen Konfession an.
Wie sind die Katholiken im Seelsorgebereich geprägt? „Man merkt das Gefälle“, sagt Pfarrer Schüpferling. In Sieglitzhof oder Uttenreuth leben eher die gutverdienenden Siemensianer oder Universitätsmitarbeiter, ebenso in Eltersdorf und Tennenlohe, während die Innenstadt wesentlich gemischter und internationaler ist. In Bruck gibt es zum Teil soziale Brennpunkte, doch auch hier hat sich nach Beobachtung der Seelsorger in den vergangenen Jahren viel geändert: „Wir haben hier alles von der Reinigungskraft bis zum Professor“, sagt Pastoralreferent Matthias Bankmann.
Die Unterschiede spiegeln sich auch in den Bedürfnissen der Gläubigen. In Pfarreien wie Uttenreuth werden noch so manche gewohnte Formen von Katholizismus aufrechterhalten, schildert Pastoralreferent Petru Giurgi: mit großen Pfarrfesten, eigens gestalteten Gottesdiensten, kulturellen Veranstaltungen. Der Zusammenhalt ist groß, gewachsene Gruppen funktionieren hier noch wesentlich besser als anderswo.
Doch auch viele zugezogene Katholiken suchen nach einer neuen Heimat, nach Anschluss. Der Anteil der aus dem Ausland stammenden Gläubigen ist sehr hoch, es gibt zunehmend indische Christen, eine erhebliche Latinogemeinschaft, Italiener, Kroaten, Koreaner, Vietnamesen. St. Bonifaz ist Gastgeber für etliche dieser Gemeinden, die griechisch-katholischen Christen feiern ihren Gottesdienst in der benachbarten Christophoruskapelle, die Ukrainer haben Heimat in St. Sebald gefunden. Herz Jesu lädt jeden Monat zu einer englischsprachigen Messfeier.
Darüber hinaus weist der Seelsorgebereich Erlangen eine Reihe von Besonderheiten auf. Heilig Kreuz im Stadtteil Bruck etwa ist eine Ordenspfarrei der Karmeliten, zu der Pfarrvikar Pater Sunny John und seine Mitbrüder gehören. „Durch die Mithilfe der Ordensleute können wir manches noch aufrechterhalten, was sonst gottesdienstlich nicht mehr ginge“, so Schüpferling.
Die Katholische Hochschulgemeinde (KHG) wird von einem eigenständigen Team unter Leitung von Harald Kressmann sowie der Mitarbeit von zwei Jesuiten aus Nürnberg betreut. Pater Günther Hofmann von den Comboni-Missionaren bietet Beichtgelegenheiten auf Englisch und Spanisch an. Auch in den Kliniken und Seniorenheimen, letztere sind Hofmanns Kerngebiet, arbeiten sehr viele Pflegekräfte aus dem Ausland. Die Klinikseelsorge ist formal getrennt vom Seelsorgebereich, doch selbstverständlich gibt es Berührungspunkte. „Herz Jesu ist ja umzingelt von Kliniken“, sagt Pastoralreferent Giurgi schmunzelnd. Natürlich färbe das auf die Seelsorge ab.
„Türen sind offen“
Eine weitere Besonderheit ist die Offene Tür, ein Gesprächs- und Beratungsangebot des Erzbistums, gleich gegenüber der Kirche Herz Jesu. Die Zusammenarbeit ließe sich noch intensivieren, deuten die Verantwortlichen des Seelsorgebereichs an, inzwischen teilen sich Pfarrei und Beratungszentrum den Hausmeister und nutzen gegenseitig Räume. „Die Türen sind offen“, betont Petru Giurgi.
Nicht nur in der Offenen Tür, auch in den Pfarreien und in der Klinikseelsorge sind sehr viele Ehrenamtliche tätig. „Es muss nicht immer ein Priester da sein“, sagt Günther Hofmann und lobt die Freiwilligen: „Die machen das aus Überzeugung. Die wissen, was sie wollen und was nicht.“ In den Pfarreien wollen sich ebenfalls viele einbringen, hat Pfarrvikar Christoph Uttenreuther beobachtet, der im vorigen Jahr nach Erlangen kam. „Es gibt viele Vorbereitungskreise und besondere Gottesdienstformen.“ Jeweils am dritten Sonntag im Monat gibt es etwa in Herz Jesu den „Moonlight Gottesdienst“ bei Kerzenschein und besinnlicher Musik. Auch der rockig-poppige „Freigeist“-Gottesdienst in St. Sebald und St. Bonifaz stößt auf großes Interesse.
Der Pastoralplan des Seelsorgebereichs trägt der Vielfalt Rechnung. „Wir sind kein homogener Seelsorgebereich“, sagt Leitender Pfarrer Schüpferling. Es gilt, der Internationalität Rechnung zu tragen, der Fluktuation, aber auch den gewachsenen Glaubensstrukturen. Petru Giurgi spricht von einer „Bestandsaufnahme“, die es weiterzuentwickeln gelte, mit großer Offenheit für Neues. „Prophetisch aufrüttelnd statt einfach weiter so“, lautet eine von fünf „Haltungen“, die in dem Positionspapier als grundsätzlicher seelsorgerlicher Ansatz umschrieben werden.
Wie sieht die Zukunft aus? „Wir werden uns konzentrieren müssen“, sagt Michael Schüpferling. Schon am anstehenden Gebäudekonzept wird deutlich, dass bei weitem nicht mehr alles aufrechterhalten werden könne. Natürlich gibt es Enttäuschungen und Ernüchterungen, die es aufzufangen gilt. In Uttenreuth war der vormalige Dekan Josef Dobeneck 34 Jahre tätig; heute hat die Gemeinde keinen eigenen Pfarrer mehr. „Das sind große Verletzungen“, so Uttenreuther. Ebenso Herz Jesu, wo es nach den Worten von Gemeindereferent Martin Ogiermann seit Jahrzehnten eine starke Generation Ehrenamtlicher gibt. Heute heiße es dort: „Wir haben nicht einmal mehr einen Drucker.“
Auf der anderen Seite ist in der Pfarrei St. Sebald eine starke Jugendbewegung gewachsen, mit einer Musikband und vielem mehr. Die Zahl der Schülertaufen nimmt im Seelsorgebereich zu, immer wieder einmal bitten auch Erwachsene um die Aufnahme in die Kirche – das zeugt durchaus von einem gewissen Interesse an Glaube und Kirche. Und nach Heilig Kreuz in Erlangen-Bruck kommen sogar Gläubige, die aus der katholischen Kirche ausgetreten sind. Sie haben dort wieder eine Heimat gefunden.