Hartlanden (kem) – Doreen steht ganz in sich gekehrt auf dem Hof. Sie bürstet. Sie kämmt. Sie putzt. Und ab und zu streichelt sie auch einfach nur. Ihr Gegenüber ist Apollo. Das Haflinger-Pferd sowie der spanische Schimmel Rebell machen keinen Mucks. Sowohl Pferd als auch Mensch merkt man an, dass es ihnen gefällt. Doreen ist eine Bewohnerin des Agnes-Neuhaus-Heims, das der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) in Bamberg betreibt. In sieben Wohngruppen leben insgesamt 44 Männer und Frauen unterschiedlichen Alters und mit unterschiedlichen psychischen Erkrankungen.
Dass einige von ihnen einmal in der Woche nun einen Ausflug auf den Pferdehof machen können, haben sie Marie Merget zu verdanken. Die staatlich anerkannte Heilerziehungspflegerin ist seit 2,5 Jahren beim SkF angestellt. Schon vorher hatte sie sich auch zur Reittherapeutin ausbilden lassen. „Ich war schon länger auf der Suche, diese Aktion anbieten zu können. Doch mal passte es beim Arbeitgeber nicht, dann gab es keinen geeigneten Hof. Aber jetzt passt alles“, so Merget.
Wöchentlich schnappt sich die Pflegerin drei bis vier ihrer Betreuten und fährt nach Hartlanden in den Reitstall von Denise Heinlein. „Am Anfang geht es erst einmal darum, dass sich Mensch und Tier kennenlernen“, erklärt Merget. Doch schon nach kurzer Zeit merke man, dass der Kontakt mit den Pferden den Menschen etwas bringe. „Sie öffnen sich, bauen Kontakt auf und tun sich selbst etwas Gutes, weil sie auch sehen, dass es dem Pferd gut tut.“
Mit auf dem Hof sind an diesem Tag neben Doreen auch Norbert und Toni. Während Norbert das erste Mal dabei ist und noch ein wenig Scheu ablegen muss, hat Toni schon ein bisschen Erfahrung mit den Tieren gesammelt. Dabei erinnert er sich auch an seine Kindheit, an die Mutter und die Schwester, die ebenfalls ein Pferd hatte. „Wir sprechen mit den Bewohnerinnen und Bewohnern danach auch immer über unseren Besuch. Da kommt vieles hoch. Aber in erster Linie sind sie fröhlich und stolz auf das, was sie gemacht haben“, so Merget.
„Horse & Healing“
Reitstall-Chefin Heinlein kennt diese Gefühle selbst nur zu gut. Sie ist Pferdetrainerin und kennt sich dank vieler Weiterbildungen gut in der Zusammenarbeit mit Mensch und Pferd aus. Auch gibt sie selbst Workshops für Menschen mit posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS). Gerade Veteranen und Polizisten besuchen den zweieinhalbtägigen Kurs, aber das Programm „Horse & Healing“ soll auch auf Frauen, Kinder und Jugendliche ausgeweitet werden. „Pferde reflektieren den Menschen ihnen gegenüber sehr gut. Wenn der entspannt ist, ist das Tier auch entspannt“, weiß Heinlein über die Vierbeiner mit dem ausgeprägten Fluchtreflex zu berichten. Dabei kommt es nicht selten vor, dass durch die Arbeit mit den Tieren die eigene Seele heilt. „Das Pferd stupst das Tor zu den Gefühlen auf.“
Immer wieder fragen die Bewohnerinnen und Bewohner bei Marie Merget nach, wann es denn das nächste Mal nach Hartlanden geht. „Sie freuen sich immer riesig auf die Ausflüge, aber mit mehr als vier Personen kann ich leider nicht kommen.“ Zumal auch alles für die Betreuten kostenfrei bleiben soll. Damit dies weiterhin klappt, ist Merget immer auf der Suche nach Sponsoren (siehe Infobox), die diese Beschäftigungstherapie finanzieren. „Man sieht den Menschen kurzfristig die Freude an, aber ich glaube, dass es ihnen langfristig auch psychisch sehr viel bringt“, so die Heilerziehungspflegerin.
Nach einer Stunde ist die Zeit mit Apollo und Rebell dann auch vorbei. Mensch und Tier verabschieden sich, nicht ohne zu verabreden, dass beim nächsten Mal auch ein Spaziergang mit den Pferden gemacht werden soll. Und nicht ohne das Versprechen auf einen Apfel und zwei Karotten pro Pferd.