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Misereor-Chef sieht zunehmenden Egoismus in Entwicklungspolitik

Aachen (KNA) – Der scheidende Hauptgeschäftsführer des katholischen Hilfswerks Misereor, Pirmin Spiegel, sieht große Gefahren für den aktuellen Stellenwert der Entwicklungspolitik. "Mich besorgt sehr, dass die Debatten immer häufiger mit der Ansage 'Wir zuerst' verbunden werden - nicht nur bei Donald Trump mit seinem 'America first'", sagte er in einem Bilanz-Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): "Immer wieder heißt es: Was bringt uns das? Was haben wir davon? Wenn wir in Entwicklungspolitik investieren, dann muss auch für uns was dabei rausspringen."

 

Diese Verschiebung des Diskurses mache ihn sehr nachdenklich, fügte er hinzu: "Denn das ist natürlich das Gegenteil von unserer Arbeit bei Misereor! Da darf Solidarität nicht an Eigennutz gekoppelt sein, sondern nur davon abhängen, was die Ärmsten brauchen in ihrer Not." Das müsse auch in den aktuellen Debatten um Kürzungen im Entwicklungsetat stärker im Blick sein.

 

Spiegel übergibt sein Amt bei einem Gottesdienst und einem Festakt am Mittag in Aachen an den ehemaligen Generalvikar des Bistums Aachen, Andreas Frick. Dieser müsse trotz aller Schwierigkeiten weiter kämpfen gegen geplante Kürzungen und gegen alle Versuche, die Not der Menschen in Deutschland gegen die in anderen Ländern auszuspielen.

 

"Unsägliche Debatte über Radwege in Peru"

 

"Vor allem dürfen wir nicht resignieren", forderte der 66-Jährige - auch dann nicht, wenn angesichts der Kriege und Krisen die Not im Süden drohe, vergessen zu werden. Oder wenn Milliarden für tödliche Waffen ausgegeben würden statt für Projekte, die Menschen helfen: "Wir müssen den Mund aufmachen und auf die vergessene Not aufmerksam machen. Und wenn Entwicklungszusammenarbeit so kritisch hinterfragt wird - denken sie nur an die unsägliche Debatte über Radwege in Peru - dann können wir das als Chance begreifen und umso deutlicher erklären, warum das Ganze wichtig und sinnvoll ist."

 

Spiegel fügte hinzu, man müsse auch immer wieder erklären, "warum es uns nicht unbedingt unglücklicher macht, Abstriche am eigenen Lebensstandard zu machen, um den Menschen in Not ein besseres Leben zu ermöglichen und um unseren Planeten bewohnbar und lebenswert zu erhalten".