Bonn (KNA) – Nach einer neuen Studie zu sexualisierter Gewalt im katholischen Orten der Franziskaner-Minoriten hat ein hochrangiger Ordensmann kritisiert, dass Vorwürfe lange nicht ernst genug genommen worden seien. Zudem seien "manipulative Strategien von beschuldigten Missbrauchstätern" zu spät erkannt worden, sagte Provinzialminister Andreas Murk im Interview des Portals katholisch.de (Donnerstag).
"Seit dem Jahr 2010 herrscht ein Klima, in dem Missbrauchsvorwürfe ernster genommen werden. Menschen haben den Mut bekommen, sich nach solchen Verbrechen zu melden. Leider hat man ihnen erst spät geglaubt, als nach und nach die ganze Dimension dieses Verbrechens sichtbar wurde", bedauerte Murk.
Orden legte Studie vor
Als erster katholischer Orden in Deutschland hatten die Franziskaner-Minoriten Mitte Juni eine extern begleitete, unabhängige Untersuchung zu sexualisierter Gewalt vorgelegt. Der von zwei Rechtsanwältinnen verfasste Bericht dokumentiert und bewertet auf 152 Seiten Vorwürfe gegen neun namentlich bekannte Ordensmänner seit den 1960er Jahren bis in die jüngere Vergangenheit. Von einem Bruder werden Übergriffe auf 20 verschiedene Betroffene geschildert.
Es handelt sich um die erste derartige Studie auf Basis der 2021 getroffenen Vereinbarung der Deutschen Ordensobernkonferenz (DOK) mit dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung. Die Franziskaner-Minoriten haben in Deutschland 40 Mitglieder in sechs Niederlassungen. Der Chef der Provinz, Bruder Andreas Murk, ist zugleich DOK-Vorsitzender.
Würdigung des Mitwirkens von Betroffenen
Er würdigte jetzt in dem Interview das Mitwirken von Betroffenen. Ohne das hätten man die Untersuchung nicht auf eine umfassende Weise durchführen können, so Murk. "Ich bin den Betroffenen dankbar, dass sie uns über ihre Erlebnisse, Erfahrungen und deren Folgen berichten, denn ohne sie käme das alles nicht ans Licht." Murk rief Betroffene und Zeugen dazu auf, sich weiterhin bei den zuständigen Stellen zu melden.
Murk verwies auf einige von sexueller Gewalt betroffene Mitbrüder. "Ihr Leid war lange nicht im Blick, weil über solche 'Fälle' nicht wirklich gesprochen wurde." Jeder gehe anders mit traumatischen Erfahrungen um. "Es ist mittlerweile aber für alle klar, dass Therapiemöglichkeiten offen stehen und dass niemand sich mit dieser Not schämen oder gar verstecken muss. Die Ordensprovinz macht klar, dass sie nicht auf Seiten der Täter steht."