Vierzehnheiligen (ku) – Sie wurden vor 25, 40, 50, 60 und 65 Jahren zu Priestern beziehungsweise Ständigen Diakonen geweiht und sind damit dem Ruf des Herrn gefolgt, so wie einst der Zöllner Matthäus. „Es war ein Ruf, der sich an das Herz wandte, der Euch hineinzog in die Freundschaft mit dem Herrn Jesus Christus, dem Auferstandenen“, sagte Erzbischof Herwig Gössl beim traditionellen Festgottesdienst der Weihejubilare in der Basilika von Vierzehnheiligen. Nach den Worten des Bamberger Oberhirten würden die Jubilare eine Menge mitbringen, was sich angesammelt habe – Frohes, für das man dankbar sein müsse, aber auch das, was nicht so gut gewesen sei.
Der Ruf des Auferstandenen habe nach Gössls Worten die Priester und Diakone spüren lassen, wohin der Weg führe: „Hier geht es lang. In seiner Nähe geht es mir gut, dort liegt meine Zukunft, mein Leben.“ Und sicher sei es eine wichtige Motivation gewesen, zum Ruf des Herrn „Ja“ zu sagen, „dass Ihr diese Erfahrung seiner Nähe möglichst vielen Menschen vermitteln wolltet“. So sollten die Menschen spüren, dass sie angenommen und geliebt seien, vor allem die Kranken und am Rande Stehenden, die Armen und Bedürftigen.
Erzbischof Herwig: „Ja, Gott nimmt in Jesus Christus die Armen und Schwachen, die am Leben Zerbrochenen und die Sünder an. So ist sein Wesen.“ In diesem Zusammenhang verwies Gössl auf die Lesung des Tages, in der der Prophet Amos im Auftrag Gottes massive Kritik übt an den ungerechten Zuständen und Verhaltensweisen seiner Zeit. Durch den Propheten habe sich Gott eingemischt, um den ausbeuterischen Verhältnissen ein Ende zu bereiten.
Mit Blick auf die heutige Zeit konstatierte der Bamberger Erzbischof, dass die fast 3000 Jahre alten Worte der Lesung so modern wirken, dass man meinen könnte, sie seien für heute geschrieben. Gössl: „Immerzu – so scheint es – sind die Mensche besessen von Profitgier und bereit, auf Kosten der anderen, und das heißt, vor allem der Schwächeren, zu leben.“ So ist es nach seinen Worten Auftrag der Christen von heute, in der Nachfolge Christi gegen diesen Trend und die ständige Versuchung zu arbeiten, „damit ein mehr an Gerechtigkeit unser Zusammenleben prägt“.
Und weil dieser gute und zukunftsweisende Willen des Herrn bei möglichst vielen Menschen bekannt gemacht werden soll, seien die Jubilare und alle Priester dem Ruf in die Nachfolge gefolgt. Erzbischof Gössl: „Das Reich Gottes soll sich schon anfanghaft verbreiten in dieser Welt, und dafür wollen wir uns einsetzen, wollen wir wirken und uns auch verausgaben.“
Heute erlebe man eher schmerzhaft, dass es kein Wachstum im Glauben, keine Stärkung von Gerechten, keine ausgleichenden Zustände oder ein Mehr an Frieden und Versöhnung gebe. So hätten nach Gössls Worten die Menschen nicht mehrheitlich Hunger nach dem Wort des Herrn, suchten nicht, Gott nahe zu sein und seinen Willen zu Tun. Vielmehr lebten die Menschen ohne Gott, ohne eine Beziehung zu ihm, was sich auch in den aktuellen Kirchenmitgliedschaftszahlen widerspiegele.
Mit Blick auf die Jubilare und deren jahrzehntelanges Wirken, oft ohne auf Freizeit oder Gesundheit zu achten, konstatierte der Erzbischof, dass die Geschichte Gottes mit den Menschen keine Erfolgsstory war und ist. So habe es und gebe es Momente großer Nähe und begeisterter Aufbrüche, doch auch immer wieder Zeiten der Distanz und der wachsenden Gleichgültigkeit gegenüber Religion und Kirche.
Herwig Gössl: „Wir sind als Kirche nicht die societas perfecta, in der es immer perfekt zugeht und die sich immer mehr vervollkommnet im Laufe der Geschichte. Wir sind vielmehr eine societas imperfecta, bestehend aus wunderbaren, aber auch sündhaften Menschen, immerzu unterwegs und noch lange nicht am Ziel.“ Gerade die Aufdeckung der Verbrechen sexualisierter Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen führe dies schmerzhaft vor Augen. „Wo immer das geschehen ist und vertuscht wurde, dort wurden die Schwächsten ausgebeutet und erniedrigt“, so der Erzbischof.
Diese Erfahrung gehöre zur Geschichte als Kirche, „doch sie soll uns nicht niederdrücken und alle Freude vermiesen, sondern soll uns bescheiden und demütig werden lassen“, gab der Oberhirte den Jubilaren mit auf den Weg. So seien Jubiläen kein Anlass für Triumphalismus, sondern vielmehr ein Anstoß, ehrlich Bilanz zu ziehen in dem Wissen, dass man vom Herrn gerufen und gesendet ist. „Er ruft uns auch heute in seine Nachfolge, wie einst den Zöllner und Sünder Matthäus“, so der Erzbischof.