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Von der Kirche zur "Cafédrale"

 In der Evangelischen Maria-Magdalena Kirche wurde die „Cafédrale C41“ mit Außenbereich eingerichtet. Foto: Ch. Schäfer / epd-Bild
In der Evangelischen Maria-Magdalena Kirche wurde die „Cafédrale C41“ mit Außenbereich eingerichtet. Foto: Ch. Schäfer / epd-Bild

Mainz (epd) – Angesichts schrumpfender Mitgliederzahlen und schmaler Finanzen sehen einige kleine Kirchengemeinden keinen anderen Ausweg mehr, als ihr Gotteshaus aufzugeben und zu verkaufen. Doch es gibt Alternativen, wie eine Gemeinde bei Mainz zeigt. 

 

Die Helfer an der Theke haben alle Hände voll zu tun, zu viele Leute gleichzeitig wollen Kuchen, Kaffee, Limonade oder frisch gebackene Crêpes bestellen. Im Mainzer Vorort Drais gab es bislang kein Café. Die örtliche evangelische Gemeinde hat das geändert – und ihre Kirche zur „Cafédrale“ umgebaut. 

 

„Wir öffnen die Kirche für den Stadtteil“, sagt Pfarrer Christoph Kiworr. Möglichst jeden Tag soll irgendetwas in dem zuletzt nur noch selten genutzten Gebäude geschehen. Sei es, dass Musiker hier Konzerte spielen, Selbstständige sich einen „Coworking Space“-Arbeitsplatz mieten oder eben die Nachbarschaft zum Kaffeeklatsch zusammenkommt. 

 

Überall in Deutschland stehen evangelische und katholische Gemeinden vor ähnlichen Herausforderungen: Die Zahl der Kirchenmitglieder schrumpft kontinuierlich, die Kosten für den Unterhalt kirchlicher Immobilien steigen. In der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, zu der die Gemeinde in Mainz-Drais gehört, soll der Gebäudebestand bis 2030 um ein Drittel reduziert werden. 

 

Zahlreiche Beispiele

 

Zwar stehen vor allem Pfarr- und Gemeindehäuser auf dem Prüfstand, doch auch der Fortbestand mancher Kirche dürfte früher oder später debattiert werden. Anderswo in der Bundesrepublik haben Bistümer und Landeskirchen schon lange damit begonnen, nicht mehr benötigte Sakralbauten aufzugeben. 

 

Mittlerweile gibt es zahlreiche spektakuläre Beispiele für Umnutzungen: Im nordrhein-westfälischen Mönchengladbach wurde eine Kirche zur Klettersporthalle umgebaut, in Bielefeld können Gäste in einem feinen Restaurant speisen, wo einst die katholische Messe gefeiert wurde. In Liebenau im Landkreis Kassel zog gar eine Gin-Brennerei in die frühere Kirche. Allein in dem für Nordhessen zuständigen katholischen Bistum Fulda wurden seit 2020 über ein Dutzend Sakralbauten profaniert. 

 

In Mainz-Drais, einem eher wohlhabenden Stadtteil der Landeshauptstadt, wollte die Kirchengemeinde, die auch noch eine zweite Kirche im benachbarten Brennpunktviertel Lerchenberg besitzt, das Gebäude nicht einfach verkaufen und abgeben. Weitermachen wie bisher hätten die Verantwortlichen allerdings auch nicht gewollt, berichtet Pfarrer Kiworr: „Eine abgeschlossene Kirche ist die schlechteste Option von allen.“ 

 

Die Idee hinter dem Umbau der Kirche zur „Cafédrale“ ist einfach: Der Bau bleibt ein Sakralraum, hier finden im erneuerten Ambiente sogar weiter regelmäßige „Sofagottesdienste“ statt, und auch die Orgel bleibt funktionsfähig. Aber daneben sollen viele andere Nutzer Leben in die Mauern bringen – und Geld in die Kasse. 

 

Insbesondere in Ostdeutschland seien Mehrfachnutzungen von Kirchen schon seit vielen Jahren weit verbreitet, berichtet Elisabeth März von der Universität Leipzig: „Das Phänomen, die Kirche loswerden zu wollen, ist im Westen viel weiter verbreitet.“ Die Theologin untersucht als Mitglied einer interdisziplinären Forschergruppe zusammen mit Kunsthistorikern, Architekten und Fachleuten für Immobilienwirtschaft den Umgang mit Kirchengebäuden. 

 

Wenn sich Menschen für ihre Kirche engagierten, sei vieles möglich – und zwar nicht nur in Großstädten: „Kleine Dorfkirchen können als Identifikationspunkte wichtig werden.“ Manchmal gelinge es sogar, die Gemeinde vor Ort durch Umnutzungsprojekte wie die in Mainz zu stärken. Und selbst historische Kirchen seien nicht prinzipiell tabu für solche neuen Wege: „Das Vorurteil, die Denkmalpflege würde alles verhindern, hört man häufig, es ist aber oft unberechtigt“, sagt März. Persönlich habe sie Schwierigkeiten mit rein kommerziellen Umnutzungen, bei denen eine Kirche „nur noch gegen Eintritt“ betreten werden könne, sagt März. „Aus meiner Sicht muss der öffentliche Charakter ein Stück weit erhalten bleiben.“

 

Zur Wahrheit gehöre dabei aber auch, dass die Öffnung für Kulturangebote oder andere gemeinnützige Nutzer in der Praxis meist nicht ausreiche, um den Bau komplett ohne kirchliche Zuschüsse instand zu halten.